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23.05.2013
Meinung: Dürfen spanische Schaeffler-Mitarbeiter solidarisch mit Wuppertal sein?

Oder soll man sich die Solidaritätsadressen sparen?

In einigen Zuschriften an die IG Metall haben sich Schaeffler-Beschäftigte aus Wuppertal über die Solidaritätsadresse von Gewerkschaftern bei Schaeffler in Spanien beschwert. In den Mails heißt es u.a.:

„Das ist ja wohl der Gipfel: Da demonstriert die spanische Gewerkschaft LAB im Baskenland mit Transparenten und bietet den Arbeitnehmern bei Schaeffler in Wuppertal ihre Unterstützung an? Man scheint wohl dort ernsthaft zu glauben, die Schaeffler-Mitarbeiter könnten die Situation nicht alleine meistern, sondern benötigten dringend Hilfe aus dem Ausland. Dass solche ‚wohlgemeinten’ Grußadressen aus einem Land kommen, das zu 53 % mit Arbeitslosigkeit geschlagen ist, ist ja wohl der wahre Hohn …“

„Ich finde es nicht in Ordnung, dass sich Außenstehende in diesem Ausmaß in diese Angelegenheit hinein drängen. Zumal doch gerade Spanien, wenn von ihnen gerade die Rede ist, selbst mit genug anderen Problemen zu kämpfen hat. Mit den Worten „Don’t fire workers in Wuppertal“ machen sie sich doch selbst lächerlich.“

„Meiner Meinung nach ist hier kein Bedarf der Unterstützung aus einem Land, welches so weit weg ist und noch dazu selbst mit so vielen Problemen zu kämpfen hat … Ich bin mir sicher, dass wir Arbeitnehmer uns mit unseren Vorgesetzten auch ohne „fremde Hilfe“ auf eine gute Lösung einigen werden können.“

Unsere Meinung dazu:

  • Man kann trefflich darüber streiten, was der konkrete Nutzen von Solidaritätsadressen ist. Aber in jedem Fall ist damit (internationale) Aufmerksamkeit geschaffen, die einen geräuschlosen Abbau von Arbeitsplätzen erschwert.
  • Es ist das gute Recht von Arbeitnehmern in einem Land, ihre moralische Unterstützung für die Kolleginnen und Kollegen anderswo auszudrücken. Umso mehr, wenn sie Beschäftigte im gleichen Konzern – Schaeffler - sind.
  • Es ist Kirchturm-Denken zu glauben, dass Beschäftigungsprobleme wie jetzt in Wuppertal isoliert vor Ort gelöst werden können, wenn gleichzeitig die gesamte Unternehmenspolitik international ausgerichtet ist.
  • Die abhängig Beschäftigten und ihre Vertretungen (Betriebsrat und Gewerkschaft) sitzen gegenüber der Macht und Kapitalkraft der Unternehmen am kürzeren Hebel. Dagegen ist praktische Solidarität über Standort- oder Landesgrenzen hinweg nötig. Es stärkt die Position der Arbeitnehmer, wenn das Unternehmen mit seinen Produkten und Arbeitsplätzen nicht einfach von Standort zu Standort umziehen kann, wenn die Beschäftigten und ihre Vertretungen in Europa und international vernetzt sind und sich nicht gegeneinander ausspielen lassen.
  • Der Hinweis auf die massiven sozialen Probleme in Spanien ist richtig. Aber statt zu sagen „Spart Euch die Solidaritätsadresse und schert Euch um Euren Kram!“ wäre es besser, aus Deutschland auch die spanischen Kolleginnen und Kollegen zu unterstützen, deren Arbeitnehmerrechte durch EU und spanische Regierung massiv beschnitten werden. Oder meint etwa jemand, dass die aktuelle Verarmung in Spanien nützlich für Wuppertal ist?
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