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14.10.2021
Bundesarbeitsgericht: Keine Lohnfortzahlung im Lockdown

Das Betriebsrisiko trägt der Arbeitgeber und muss bei Leistungsstörungen trotzdem das Entgelt zahlen – Bei landesweiten, pandemiebedingten Schließungen trägt das Risiko aber der Arbeitnehmer und muss sich an den Staat wenden, laut Bundesarbeitsgericht

Entgeltausfall-Risiko durch "Lockdown" trägt der Arbeitnehmer

Wenn Unternehmen in der Corona-Krise wegen eines staatlich angeordneten "Lockdowns" schließen, entfällt der Lohnanspruch von Arbeitnehmern, entschied gestern das Bundesarbeitsgericht. Viele Betriebe hatten ohnehin Kurzarbeit mit den Arbeitnehmern vereinbart und waren so die Pflicht zur Entgeltzahlung los. Der Staat sprang ein und übernahm bis zu 67 Prozent des Entgelts. Doch wie sieht es mit dem Lohn bei Lockdown bzw. Shutdown aus, wenn keine Kurzarbeit vereinbart wurde, wie etwa bei Mini-Jobbern, wo dies rechtlich gar nicht möglich ist? Dies entschied gestern das Bundesarbeitsgericht, mit überraschendem Ausgang.

Der Arbeitgeber muss nicht immer das Entgelt fortzahlen

Geklagt hatte eine Verkäuferin, die in einem Nähmaschinen-Geschäft in Bremen als Minijobberin arbeitet. Im April 2020 war das Geschäft wegen einer Allgemeinverfügung der Stadt Bremen wegen der Corona-Lage geschlossen worden. Der Betrieb verweigerte der Beschäftigten daraufhin den Lohn, schließlich könnten ja auch keine Kunden empfangen werden. Dagegen zog die Verkäuferin vor Gericht. Die entscheidende Streitfrage vor Gericht lautete nun: Wer trägt das Risiko eines Arbeitsausfalls im Falle eines Corona-Lockdowns – Arbeitgeber oder Arbeitnehmerin?

Arbeitsrechtlich gilt: Wenn ein Arbeitsausfall etwas mit dem Betrieb zu tun hat, zum Beispiel mit Lieferengpässen zusammenhängt oder mit technischen Störungen im Betrieb, muss der Arbeitgeber die Arbeitnehmer weiter bezahlen. Wenn hingegen der Arbeitsausfall das allgemeine Lebensrisiko betrifft, etwa Krankheit des Arbeitnehmers oder der Arbeitnehmer wegen einer Ausgangsbeschränkung nicht zur Arbeit kommt, fällt dies nicht unter das Betriebsrisiko. Der Arbeitgeber muss dann keinen Lohn zahlen. Genau Letzteres, so beschloss das Bundesarbeitsgericht gestern, war bei der Arbeitnehmerin aus Bremen der Fall – und widersprach damit allen Vorinstanzen, die den Arbeitgeber zur Lohnfortzahlung verpflichten wollten.

Bei allgemeinem "Lockdown" gehen Beschäftigte im Zweifel leer aus

Dabei entschied das Bundesarbeitsgericht differenziert: Wenn die Behörden in der Corona-Krise spezifisch die Schließung von Betrieben verlangen, von denen besondere Infektionsgefahr ausgeht, dann verwirklicht sich insoweit das Betriebsrisiko. Der Arbeitnehmer muss weiterbezahlt werden. Beispiel hier sind etwa staatliche Verfügungen, in denen nur körpernahen Dienstleistungen (Massagen, Frisör, etc.) und sonstigen Betrieben mit erhöhter Infektionsgefahr die Öffnung verboten wird. Wenn hingegen Behörden pauschal Betrieben die Öffnung untersagen, einfach um soziale Kontakte zu reduzieren, verwirklicht sich kein Betriebsrisiko. Der Arbeitgeber muss den Arbeitnehmer nicht bezahlen. Somit geht die Verkäuferin in Bremen erst einmal leer aus und muss sich für einen Entgeltausfall an den Staat wenden.

Das Urteil könnte Signalwirkung entfalten. Denn Arbeitgeber, die im Lockdown weiter das Entgelt bezahlt haben, könnten dieses möglicherweise nun von den Beschäftigten zurückfordern, sofern keine Ausschlussfristen im Arbeitsvertrag vereinbart sind. das Bundesarbeitsgericht verweist hier auf den Gesetzgeber: Es sei Sache des Staates, im Falle eines allgemeinen "Lockdowns" gegebenenfalls für einen angemessenen Ausgleich zugunsten Arbeitnehmer zu sorgen. Dies ist auch die einzig richtige und konsequente Forderung aus Gewerkschaftssicht: Das finanzielle Risiko von "Lockdowns" darf nicht einseitig auf die Beschäftigten abgewälzt werden! Wenn der Staat schon die umstrittenen "Lockdown"-Maßnahmen beschließt, muss er die betroffenen Kolleginnen und Kollegen auch dafür entschädigen.

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