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15.05.2020
DGB fordert verbindliche Regelungen zur Arbeitszeiterfassung

Vor einem Jahr urteilte der Europäische Gerichtshof, dass Unternehmer für ihre Beschäftigten ein System der Arbeitszeiterfassung haben müssten – Bundesregierung verneint auf Druck der Arbeitgeber eigenen Handlungsbedarf

Angesichts harter Regierungsauflagen gegen Corona arbeiten derzeit viele Menschen im Homeoffice. Dabei verwischen bei vielen Beschäftigten zunehmend die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit.

Gesetzlich hingegen müssen Arbeitszeiten exakt gemessen und abgerechnet werden. Nur so ist sicher gestellt, dass alle erledigte Arbeit auch bezahlt wird. Dies hat der Europäische Gerichtshof in seinem wegweisenden Urteil vom Mai 2019 verbindlich für die gesamte Europäische Union entschieden.

In Deutschland schlug dieses Urteil hohe Wellen, weil insbesondere Mindestlohnbeschäftigte aufgrund falscher oder fehlender Arbeitszeiterfassung bisher häufig um ihre korrekte Vergütung betrogen werden. Aber auch für übertarifliche Beschäftigte oder Beschäftigte mit Selbstaufschreibung muss nun oft erstmals eine korrekte Arbeitszeiterfassung eingerichtet werden. Während Arbeitgeber das Urteil als „Einführung einer Stechuhr im 21. Jahrhundert“ ablehnten, leiteten die Präsidentin des Bundesarbeitsgerichts, Ingrid Schmidt, die Neue Richtervereinigung und auch Gewerkschaften einen Handlungsauftrag für die Bundesregierung aus dem Urteil ab.

Der  Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) begrüßte das Urteil und beschloss deshalb bereits vor Monaten dazu ein Eckpunktepapier mit rechtspolitischen Erwartungen der Gewerkschaften an den Gesetzgeber für die Umsetzung der EuGH-Entscheidung in nationales Recht. Der DGB fordert nun die CDU/CSU/SPD-Bundesregierung zum Handeln auf. Die bisherige Untätigkeit auf Druck der Arbeitgeberverbände, die Bürokratie und höhere Lohnkosten befürchten, sei eine Schande. In einem Gutachten des gewerkschaftlichen Hugo-Sinzheimer-Instituts für Arbeitsrecht wurde unter anderem bestätigt, dass für Deutschland aus dem Urteil Handlungsbedarf entsteht – eine Frage, die in den Diskussionen um das Urteil durchaus umstritten war.

Alle Arbeitgeber ​müssen dazu verpflichte​t werden, die Arbeitszeit der Beschäftigten zu erfassen. Da bislang diese grundsätzliche Erfassungspflicht rechtlich in Deutschland nicht klar festgeschrieben ist, ​sollte das deutsche Arbeitszeitgesetz entsprechend geändert werden. Bislang galt: Arbeitgeber waren bisher gesetzlich weitgehend lediglich zur Erfassung von Arbeitszeiten verpflichtet, die über acht Stunden täglich hinausgehen. Jetzt muss diese Lücke geschlossen werden und Zeiterfassung ab der 0. Stunde erfolgen. Das Gutachten bestätigt aber auch, dass die Entscheidung jetzt schon eine verbindliche Wirkung in Deutschland entfaltet  nicht nur für den Gesetzgeber, sondern auch für die Arbeitsgerichte.

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