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24.07.2020
Gesamt- und Konzernbetriebsrat: Abschied von Norbert Lenhard

Zur Verabschiedung des langjährigen Gesamt- und Konzernbetriebsrats- sowie Konzern-Wirtschaftsausschuss-Vorsitzenden veröffentlichen wir hier ein Gespräch mit Norbert Lenhard

Norbert Lenhard geht nach 44 Jahren bei FAG Kugelfischer bzw. bei Schaeffler in den wohlverdienten Ruhestand

Das Interview führte Marco Bosch, Mitarbeiter im Bereich Öffentlichkeitsarbeit bei Schaeffler, und der Titel lautet: "Kompromiss bedeutet Freiheit".

Norbert Lenhard verlässt Schaeffler. 1976 begann der mittlerweile 63 Jahre alte Unterfranke seine berufliche Laufbahn bei FAG Kugelfischer als Maschinenschlosser. Danach hat er in unterschiedlichen Positionen die Arbeit im Bereich der Mitarbeiterbeteiligung geprägt, zuletzt 14 Jahre lang als Gesamtbetriebsrats- und zwei Jahre lang als Konzernbetriebsratsvorsitzender sowie als Aufsichtsratsmitglied.

Frage: Herr Lenhard, Sie verlassen Ende Juli nach 44 Jahren das Unternehmen. Werfen Sie mit uns einen Blick auf den Anfang dieser langen, gemeinsamen Geschichte?

Ich habe 1976 eine Lehre zum Maschinenschlosser begonnen, damals noch bei Kugelfischer. Zuvor war ich bereits in einem Jugendzentrum der Schülervertretung aktiv, in meinem Heimatort Gerolzhofen. Ich bin bereits in den ersten Tagen im Betrieb in die Gewerkschaft eingetreten.

Frage: Was hat Sie zum Eintritt motiviert?

Die bekannte Studentenbewegung der sechziger und siebziger Jahre war eng mit der Schüler- und Lehrlingsbewegung verknüpft. Daher war ich, wie andere damals auch, politisch motiviert und engagiert. Es war von Anfang an klar, dass ich mich auch im Betrieb engagieren wollte. Das war damals nicht außergewöhnlich.

Frage: Was waren am Anfang die großen Themen an der Schnittstelle zwischen Unternehmensleitung und Mitarbeiter?

Ganz am Anfang ging es noch um Themen wie Disziplinierung in der Ausbildung. Da ging es schon mal körperlich zu. Als junge Arbeitnehmervertreter hatten wir recht schnell Reibungspunkte, auch mit den älteren Betriebsräten, mit den Gewerkschaften, eben mit den Strukturen, die insgesamt einfach sehr wenig auf Beteiligung ausgerichtet und sehr autoritär waren.

Frage: Welche Herausforderungen sind Ihnen besonders in Erinnerung geblieben?

Eine wesentliche Erfahrung war die große Krise von FAG Kugelfischer Anfang der neunziger Jahre. Unternehmensteile mussten verkauft werden, mehrere tausend Mitarbeiter, auch in Schweinfurt, verloren ihren Job. Das war wohl das einschneidendste Erlebnis.

Frage: Wie hat das ihre damalige Tätigkeit im Betriebsrat Schweinfurt beeinflusst?

Die alten Betriebsräte waren gewissermaßen in einem „Wirtschaftswunder-Modus“: Es ging primär darum, stetige Zugewinne zu verteilen. Es hieß: „Der Unternehmer macht das schon richtig.“ In der Krise gab es dann auch heftige Vorwürfe gegen die Mitarbeitervertreter, man hätte die drohende Pleite doch früher erkennen müssen. Auch aus diesen Kritikpunkten heraus ist uns klar geworden, dass wir uns frühzeitig und kritisch mit der ökonomischen Entwicklung eines Unternehmens befassen müssen, um Risiken erkennen und dann gegensteuern zu können.

Frage: Welche konkreten Maßnahmen sind daraus hervor gegangen?

Das Unternehmen hat sich damals sehr um das Thema Arbeitsorganisation gekümmert und etwa teilautonome Gruppenarbeit eingeführt. Man hat auf die Menschen gesetzt, das haben wir unterstützt. Mit all den Kämpfen: Es ging um Nachtschichtzulagen, Lohn an sich und um die Arbeitszeit. Später dann war, und ist immer noch, die Arbeitszeitflexibilisierung ein Thema. Wir haben uns entschieden, es positiv mitzugestalten, all das, was wir heute kennen, wie die Absicherung der Beschäftigung durch Absenkung der Wochenarbeitszeit und so weiter. Es ging darum, sich zu überlegen: Was kann man dazu beitragen, dass das Unternehmen aus einer Krise auch wieder wächst?

Frage: Das ist in Zeiten einer drohenden Rezession durch die Corona-Pandemie eine sehr aktuelle Frage. Ist die Zusammenarbeit mit der Unternehmensleitung aktuell besonders?

Insoweit, dass die Betriebsräte in die Krisenstäbe eingebunden sind. Wir übernehmen ein großes Stück Verantwortung und erkennen, dass durchaus konsequent und richtig gehandelt wird. Im gemeinsamen Interesse, die Gesundheit zu erhalten, das Unternehmen zu erhalten und die notwendige Produktion sicherzustellen.

Frage: Was sind die Herausforderungen für Ihre Nachfolger, Salvatore Vicari (Gesamtbetriebsrat) und Susanne Lau (Konzernbetriebsrat)?

Es kommt darauf an, wie lang die Rezession dauern wird. Aber wenn dauerhaft Umsatz fehlt, wird das Unternehmen gegensteuern müssen. Dann ist die Interessenvertretung  natürlich gefordert. Ganz generell ist es heutzutage schwierig, solidarische Lösungen durchzusetzen, weil Organisationen wie Gewerkschaft und Betriebsrat ein wenig die Unterstützung verlieren. Denn heute stehen vermehrt individuelle Interessen in der Gesellschaft im Vordergrund. In diesem Sinne bedeutet Kompromiss mehr Freiheit. Und meine Freiheit geht so weit wie die Freiheit des anderen.

Frage: Was würden Sie einer oder einem jungen Auszubildenden raten, wenn er oder sie darüber nachdenken würde, sich in einer Interessensvertretung zu engagieren?

Ich würde es dringend empfehlen. Hier ist der emanzipatorische Anspruch einlösbar, sich zu beteiligen: Was die eigene Ausbildung angeht, das Unternehmen und bei vielen weiteren Aspekten. Auch kommt man hier mit vielen anderen Leuten zusammen, kommt in den Austausch.

Frage: Wie sehen denn die Pläne für die Zeit nach Schaeffler aus?

Das wird sich geben. Ich war lange Zeit in der gewerkschaftlichen Bildungsarbeit tätig, da möchte ich wieder reinschnuppern. Wie kann man Menschen befähigen, die Dinge selbst anzugehen? Das ist ja eigentlich der Schlüssel unserer Arbeit: sich organisieren und gemeinsam Herausforderungen angehen. Aber vier Wochen lang mache ich einfach mal nichts. Überhaupt keine Verpflichtung zu haben, keine Termine: Ich bin gespannt, wie sich das anfühlt.

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