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06.11.2020
Wasserstoff: Bill Gates will Zukunftsindustrie in Europa aufbauen

Forscher des Wuppertaler Instituts für Klimaforschung kritisieren in neuer Studie die Fokussierung auf "grünen Wasserstoff" aus dem Ausland und fordern höhere Investitionen in Deutschland

So verläuft der Weg des Wasserstoffs: Wind, Sonne, Biomasse und Wasser produzieren erneuerbare Energie. Sie wird genutzt, um Wasser-Elektrolyse zu betreiben. Dabei wird Wasser (H2O) unter Strom gesetzt, wobei es sich in Wasserstoff (H2) und Sauerstoff (O2) teilt. Der hierbei gewonnene Wasserstoff wird dann für die Nutzung transportiert. (Grafik: Projektträger Jülich im Auftrag des BMBF)

Bill Gates möchte europäische Wasserstoffindustrie mit aufbauen

Grüner Wasserstoff ist das Erdöl von morgen. Der flexible Energieträger ist unverzichtbar für die Energiewende und eröffnet neue Märkte. Mit dem europäischen Ableger seines "Breakthrough Energy"-Kapitalfonds möchte der Software-Milliardär Bill Gates zusammen mit dem Unternehmen "InnoEnergy" das "European Green Hydrogen Acceleration Center" gründen und damit gezielt Unternehmen fördern, die in Wasserstofftechnologie investieren.

Der Zusammenschluss soll in den nächsten fünf Jahren in Europa mithelfen, eine Wasserstoffindustrie aufzubauen, die in diesem Zeitraum direkt wie indirekt mehrere Hunderttausend Arbeitsplätze schaffen soll. "Wir wollen mit dem Zentrum die Möglichkeit schaffen, grünen Wasserstoff im großen Stil für eine umfassende Dekarbonisierung der europäischen Industrie einzusetzen", kündigt Ann Mettler, Senior Director von Breakthrough Energy, im Gespräch mit dem Handelsblatt an.

Richtungsweisende Großprojekte, unter anderem Herstellung "grünen Stahls"

Erreichen wolle man dieses Ziel "durch eine Reihe richtungsweisender Großprojekte, durch die Initiierung einer neuen Generation von Public-Private-Partnerships und den schnellen Ausbau der Produktion vom Mega- auf den Gigawattbereich", erklärt Mettler. Das erste Vorzeigeprojekt ist nach Aussage des Deutschlandchefs von InnoEnergy, Christian Müller, auch bereits in Planung: "Bei dem ersten Projekt, das wir mit unserer Initiative unterstützen, geht es um die Herstellung von grünem Stahl, die Gespräche sind schon sehr weit fortgeschritten, und Abnahmeverträge gibt es auch schon."

Der ökologisch orientierte "Breakthrough Energy"-Fonds wurde 2015 zur Klimakonferenz der Vereinten Nationen von Bill Gates (Microsoft) mit einem Startkapital von 2 Milliarden US-Dollar gegründet und wird bis heute von ihm angeführt. Weitere Beteiligungen halten Jeff Bezos (Amazon), Marc Benioff (Salesforce), Richard Branson (Virgin), Reid Hoffman (LinkedIn), Jack Ma (Alibaba), George Soros (Soros Fund), Tom Steyer (Farallon Capital), Meg Whitman (Hewlett Packard), Mark Zuckerberg (Facebook), Nat Simons (Meritage Group) und die University of California. Der Fonds möchte über einen Zeitraum von fünf Jahren rund 20 Milliarden US-Dollar an Steuergeldern und 2 Milliarden US-Dollar an Privatgeldern investieren.

Aufbau einer deutschen Wasserstoffindustrie statt Import von grünem Wasserstoff aus dem Ausland

Ohne grünen Wasserstoff gibt es keine Energiewende, so hält es auch die deutsche Bundesregierung in ihrer "Nationalen Wasserstoffstrategie" fest. Doch Experten des Wuppertaler Instituts für Klimaforschung (WI) kritisieren in einer neuen Studie, dass die Politik sich zu sehr auf Wasserstoff aus dem Ausland verlasse. Der Mitautor Frank Merten gibt im Gespräch mit dem Handelsblatt zu bedenken, dass mit den Importvorhaben nicht nur mehr Kontrolle aus der Hand gegeben werde, was neue Abhängigkeiten schaffe. Außerdem gebe es "auch keine klare Studiengrundlage dafür, dass die Produktion von grünem Wasserstoff im Ausland günstiger ist", sagt Merten.

Auf Veranlassung des Landesverbandes für Erneuerbare Energien Nordrhein-Westfalen (LEE NRW) haben die Wissenschaftler untersucht, welche Vorteile der Aufbau einer größeren Wasserstoffproduktion in Deutschland erbringen würde. Als Fazit wird festgehalten, dass bei der Schaffung einer Kapazität von 25 Gigawatt (GW) bis 2030 in Deutschland über 200.000 Arbeitsplätze und eine Wertschöpfungskette von knapp neun Milliarden Euro aufgebaut werden könnten. "Deutschland sollte deutlich ambitioniertere Ausbauziele für grünen Wasserstoff haben. Der jetzige Plan von fünf Gigawatt bis 2030 wird jedenfalls nicht die nötige Initialzündung für die Industrie liefern", fordert Merten deswegen.

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