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11.12.2020
IG Metall: Klimaneutraler Stahl – Beschäftigte und Betriebe wissen wie

Die unter anderem für die Stahlindustrie zuständige "Industriegewerkschaft Metall" fordert von der Politik mehr Unterstützung für Klimaschutz in der Stahlbranche

Klimaneutralität nur mit klimafreundlichem Stahl

Europa will klimaneutral werden und das als erster Kontinent der Welt. Die Beschäftigten der deutschen Stahlindustrie sind bereit, ihren Beitrag dazu zu leisten. Wenn ein ganzer Kontinent klimaneutral sein soll, dann gilt das natürlich auch für die Stahlhersteller.

Wie sie das anstellen sollen, das wissen die Beschäftigten auch. Die technische Lösung ist da, allerdings bisher nur auf dem Papier. Die nötigen Anlagen und die nötige Infrastruktur fehlen. Und genau hier müssen der Staat und die EU einspringen.

Das Direktreduktionsverfahren kann Eisenerz mithilfe von Wasserstoff zu Eisenschwamm reduzieren. Dieser wird anschließend im Elektrolichtbogenofen zu Rohstahl verarbeitet. Durch dieses Verfahren lassen sich auf der gesamte Prozesskette bis zu 95 Prozent der CO₂-Emissionen einsparen. Klimaneutral Stahl zu produzieren ist also technisch möglich. Es mangelt bisher aber an politischer Unterstützung.

Bessere Rahmenbedingungen für klimaneutralen Stahl schaffen

Um klimaneutral Stahl zu produzieren, müssen viele Hersteller ihren Produktionsprozess nämlich komplett umkrempeln. Statt Hochöfen brauchen sie nun Direktreduktionsanlagen, statt Kokskohle brauchen sie Wasserstoff und für die Elektroofenroute wird bezahlbarer Strom aus regenerativen Energien benötigt. Das wird teuer. Auch ist in Deutschland bislang nicht genügend Wasserstoff zu bekommen. Daher fordert die IG Metall:

• Staatliche Forschungs- und Investitionsförderung
• Aufbau von Wasserstoffkapazitäten inklusive der dazugehörigen Leitungsnetze
• Bezahlbaren Strom aus regenerativen Energien
• Branchenübergreifendes Handeln
• Beschäftigungssicherung und Qualifizierung in der Transformation

Mit diesen Forderungen schlägt die IG Metall seit vielen Monaten bei den politischen Entscheidungsträgern in Brüssel und Berlin auf. Und das hat mittlerweile auch Früchte getragen. Im Sommer legte Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier das Handlungskonzept Stahl vor, das die Forderungen der IG Metall erfüllen könnte. Das ist gut. Doch reine Absichtserklärungen reichen nicht. Holger Wachsmann, Erster Bevollmächtigter der IG Metall Ostbrandenburg, brachte es in Eisenhüttenstadt am europäischen Stahlaktionstag Anfang Oktober 2020 auf den Punkt: „Die Bundesregierung hat ein stahlpolitisches Programm beschlossen. Jetzt geht es darum, konkrete Schritte zu ergreifen.“

Entschlossenes politisches Handeln statt reiner Lippenbekenntnisse nötig

Gleicher Aktionstag, knapp 500 Kilometer entfernt, verdeutlichte Andree Jorgella, Erster Bevollmächtigter der IG Metall Siegen, warum die Zeit jetzt so drängt: „Bei grünem Stahl wollen wir Vorreiter werden und es lange bleiben“, so Jorgella. Und im Saarland betonte Stephan Ahr, Betriebsratsvorsitzender bei Saarstahl: „Das vereinte Europa muss sich an dieser Stelle besser präsentieren und vermarkten.“ Generell kämen aus der Politik lediglich Lippenbekenntnisse, konkrete Hilfen für die Branche blieben jedoch aus, kritisiert Ahr. Die IG Metall steht deshalb weiter in Berlin und Brüssel auf der Matte.

Ein kritischer Punkt ist der internationale Stahlhandel. Denn was bringt es, wenn die Stahlhersteller hier mühsam und kostenaufwendig klimaneutralen Stahl entwickeln und produzieren, wenn der dann keine Abnehmer findet, da Billigimporte aus Fernost, die mit hohen CO2-Emissionen hergestellt wurden, deutlich billiger sind? Will Europa klimaneutral werden, dann muss es auch die klimaneutrale Produktion von Stahl mit entsprechenden handelspolitischen Maßnahmen schützen. Importzölle auf Stahl, der unter hohen CO2-Emissionen produziert wurde, wäre eine Möglichkeit.

Systemrelevanz der europäischen Stahlindustrie – auch für die Autobranche

Und: Während der europäischen Stahlindustrie nichts Anderes übrigbleibt, als klimaneutral zu werden, müssen die EU sowie die Bundesregierung auch erkennen, dass es ohne die heimische Stahlindustrie nicht geht. Sollte es sie eines Tages nicht mehr geben, würde Stahl aus Russland, der Türkei oder Fernost kommen und mit hohen CO2-Emissionen verbunden sein. Der Klimawandel wäre so nicht aufzuhalten. Dazu kommt: Die Stahlindustrie ist für Deutschland systemrelevant. Jetzt mag der ein oder andere angesichts der mittlerweile vergleichsweise relativ kleinen Branche müde lächeln. Doch es reicht sich vorzustellen, wie der Industriestandort Deutschland ohne Stahlindustrie aussehen würde.

Das Überleben einer klimafreundlichen Stahlindustrie ist beispielsweise für die Automobilhersteller und -zulieferer von hoher Bedeutung: Denn ohne "grünen Stahl" können sie ihre eigenen Klimaziele nicht erfüllen – Elektromobilität hin oder her. Tekin Nasikkol, Betriebsratsvorsitzender von Thyssen-Krupp Steel, kann dabei helfen: „Wenn VW einen neuen Golf konstruiert, kommen die zu uns, um die Außenhaut zu planen. Wir wissen also zwei, drei Jahre bevor ein neues Modell vom Band läuft, wie es aus­sieht. Da braucht es Vertrauen und verlässliche Zusammen­arbeit. Wenn es keine Stahlproduktion in Deutschland gäbe, müssten das die Autohersteller zum Beispiel mit den Chine­sen machen. Ich glaube kaum, dass sie das wollen.“ Die IG Metall kann und will sich jedenfalls nicht vorstellen, dass es in Deutschland keine Stahlproduktion mehr gibt.

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