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29.01.2021
DGB: Mehr Erfolg dank Mitbestimmung

Die Hans-Böckler-Stiftung des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) belegt: Unternehmen mit Betriebsrat sind im Schnitt produktiver, sie zahlen höhere Löhne und fahren größere Gewinne ein

Dass Deutschland wirtschaftlich vergleichsweise gut dasteht, liegt unter anderem an der Mitbestimmung. Einen neuen Beleg dafür liefert eine Studie der Ökonomen Steffen Müller und Georg Neuschäffer vom Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH). Demnach sind Unternehmen mit Betriebsrat im Schnitt produktiver, sie zahlen höhere Löhne und fahren größere Gewinne ein. Zu einem Teil erklärt sich das mit der Selbstselektion von Beschäftigten: Wer besonders leistungsfähig ist und sich seinen Arbeitgeber aussuchen kann, entscheidet sich eher für einen mitbestimmten Betrieb, weil dort die Arbeitsbedingungen attraktiver sind. Betriebsräte wirken sich aber auch direkt positiv aus: Wenn man die Selbstselektion abzieht, sind unter dem Strich immer noch erhebliche Effekte nachweisbar.

Dass Mitbestimmung sich auch betriebswirtschaftlich auszahlt, erscheine theoretisch in mehrfacher Hinsicht plausibel, schreiben Müller und Neuschäffer. Die Informationsrechte von Betriebsräten, die beispielsweise Auskunft über die wirtschaftliche und finanzielle Situation des Betriebs verlangen können, machten es möglich, Angaben des Managements gegenüber der Belegschaft zu überprüfen. Das erhöhe die Glaubwürdigkeit dieser Angaben und erleichtere damit die Kommunikation zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmern. Der Beratungsanspruch bei der Änderung von Arbeitsprozessen trage dazu bei, Ängste bei der Einführung neuer Technologien abzubauen. Wenn Betriebsräte bei Kündigungen mitbestimmen, erschwere das Entlassungen, sodass sowohl Arbeitgeber als auch Beschäftigte eine längerfristige Perspektive einnehmen und an einer nachhaltigen Zusammenarbeit interessiert sind. Ein Betriebsrat, der als Sprachrohr der Belegschaft Kritik an Missständen übt, versorge das Management mit wichtigen Informationen und halte unzufriedene Beschäftigte davon ab, einfach den Job zu wechseln.

Tatsächlich gebe es zahlreiche empirische Studien, die positive wirtschaftliche Auswirkungen von Betriebsräten nachweisen, so die IWH-Forscher. In ihrer eigenen Studie haben sie analysiert, inwieweit Selbstselektion von Beschäftigten dabei eine Rolle spielt und inwieweit Betriebsräte sich direkt auswirken.

Dafür haben Müller und Neuschäffer einen Datensatz des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung ausgewertet, für den jedes Jahr zwischen 15.000 und 16. 000 Betriebe befragt werden. Die Analyse bezieht sich auf die Angaben westdeutscher Betriebe mit mindestens fünf Beschäftigten aus den Jahren 1998 bis 2016. Bei ihren Berechnungen haben die Ökonomen eine Maßzahl verwendet, die indirekt die Leistungsfähigkeit von Beschäftigten in Form von Ausbildung und Fertigkeiten abbildet. Darüber hinaus wurden Faktoren wie die Betriebsgröße, der Frauenanteil in der Belegschaft oder die Branche aus den Befunden herausgerechnet.

Den Ergebnissen zufolge weisen die Beschäftigten in mitbestimmten Betrieben im Schnitt eine höhere Leistungsfähigkeit auf als bei anderen Betrieben, es findet also Selbstselektion statt. Die positiven Auswirkungen von Betriebsräten kann das aber nur zu einem eher geringen Teil erklären: Generell fällt die Produktivität in mitbestimmten Betrieben 16 Prozent höher aus. Wenn man die Leistungsfähigkeit der Beschäftigten herausrechnet, sind es etwa 13 Prozent. Der Effekt auf die Löhne sinkt von 12 auf gut 8 Prozent, bei den Gewinnen von 17 auf 14 Prozent. Es blieben also jeweils sehr „substanzielle“ Effekte übrig, stellen Müller und Neuschäffer fest. Offenbar seien Betriebsräte tatsächlich in der Lage, die Produktivität zu beflügeln und dazu beizutragen, dass die dadurch erzielten Zugewinne auf Arbeit und Kapital aufgeteilt werden.

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