Startseite
29.03.2021
IG Metall Nordrhein-Westfalen: Tarifabschluss in der Metall- und Elektroindustrie

Mehr Geld, Arbeitsplätze und Zukunft in Nordrhein-Westfalen gesichert – Pilotabschluss muss noch in übrigen Tarifbezirken übernommen werden

Mit dem Tarifabschluss in der Metall- und Elektroindustrie in NRW sichert die IG Metall Beschäftigung, Zukunft und Einkommen: 500 Euro Corona-Prämie im Juni. Ab 2022 kommt dann ein jährliches Transformationsgeld von 18,4 Prozent dazu, das 2023 auf 27,6 Prozent steigt – und das auch zur Arbeitszeitverkürzung genutzt werden kann.

500 Euro Corona-Prämie netto gibt es im Juni für die Beschäftigten in der Metall- und Elektroindustrie. Auszubildende erhalten einmalig 300 Euro. Im Juli erhöhen sich die Entgelte um 2,3 Prozent, die jedoch angespart und im Februar 2022 in Summe als "Transformationsgeld" in Höhe von 18,4 Prozent des Monatsentgelts ausbezahlt werden. Der Tarifvertrag hat eine Laufzeit von 20 Monaten, bis zum 30. September 2022. Dann kann die IG Metall erneut über Entgelterhöhungen verhandeln.

Beschäftigungssicherung durch Arbeitszeitverkürzung

Das "Transformationsgeld" bleibt jedoch dauerhaft als weitere jährliche Sonderzahlung und erhöht sich 2023 auf 27,6 Prozent des Monatsentgelts.

Zur Sicherung von Arbeitsplätzen können Betriebe das Transformationsgeld in Krisen auch in Freizeit umwandeln. Dadurch kann die Arbeitszeit bis zu 36 Monate lang verkürzt werden, bei stabilen Monatsentgelten mit Teilentgeltausgleich. Bis zur Beendigung der Arbeitszeitverkürzung ist der Ausspruch betriebsbedingter Kündigungen ausgeschlossen. In Verbindung mit anderen Tarifelementen wie den freien Tagen aus dem 2019 eingeführten tariflichen Zusatzgeld (T-ZUG) ist auch eine Verkürzung um drei Wochenstunden – etwa von 35 auf 32 Stunden – und damit auch eine 4-Tage-Woche möglich.

Zur Sicherung der Zukunft hat die IG Metall Rahmenregeln für Zukunftstarifverträge in den Betrieben durchgesetzt, in denen etwa Zielbilder, Personalbedarf und Qualifizierung für die Arbeit der Zukunft ausgehandelt werden.

Tarifverträge endlich auch für dual Studierende

Und erstmals hat die IG Metall in NRW durchgesetzt, dass dual Studierende, die eine Ausbildung im Betrieb absolvieren, in die Tarifverträge einbezogen werden. Für sie gilt etwa nun auch die Übernahme nach der Ausbildung. "Ein Meilenstein", meint Knut Giesler, Verhandlungsführer und Bezirksleiter der IG Metall Nordrhein-Westfalen.

Diesen Tarifabschluss hat die IG Metall in Nordrhein-Westfalen in den frühen Morgenstunden mit dem Arbeitgeberverband Metall NRW ausgehandelt. Nun muss noch die Tarifkommission dem Verhandlungsergebnis zustimmen. In den anderen Tarifgebieten werden IG Metall und Arbeitgeber in den kommenden Tagen über die Übernahme des Pilotabschlusses aus Nordrhein-Westfalen verhandeln.

Über die Angleichung der Arbeitsbedingungen im Osten hat die IG Metall Nordrhein-Westfalen nicht verhandelt. Die IG Metall kann eine solche Forderung nur in einem betroffenen Tarifgebiet aufstellen und durchsetzen. Im Bezirk Berlin-Brandenburg-Sachsen wird die IG Metall darüber in den kommenden Wochen weiter verhandeln und Druck machen.

Der erste Vorsitzende der IG Metall, Jörg Hofmann, fordert die regionalen Arbeitgeberverbände zu einer schnellen Übernahme auf. „Dazu gehört auch, dass die offenen regionalen Fragen gelöst werden. Dies betrifft etwa die Angleichung der Stundenentgelte in den ostdeutschen Tarifgebieten.“

Mit Warnstreiks Beschäftigung, Zukunft und Einkommen gesichert

Mit dem Tarifabschluss konnte die IG Metall in all ihren Forderungspunkten neue oder verbesserte Tarifregelungen für die Beschäftigten durchsetzen. Fast eine Million Beschäftigte haben dafür in den letzten vier Wochen mit Warnstreiks Druck gemacht. Täglich legten in den letzten drei Wochen durchschnittlich 24 000 Menschen in der Metall- und Elektroindustrie ihre Arbeit kurzfristig nieder.

„Dieser Tarifabschluss bietet tragfähige Antworten auf die drängenden Fragen unserer Zeit: auf die akuten Probleme infolge der Coronapandemie ebenso wie auf die strukturellen Herausforderungen, die die Transformation für unsere Branchen mit sich bringt,“ sagte Jörg Hofmann, Erster Vorsitzender der IG Metall am Dienstagmorgen in Düsseldorf.

„Inmitten einer der schwersten Krisen in der Geschichte der Bundesrepublik haben wir erreicht, dass die Krisenfolgen fair verteilt und nicht einseitig bei den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern abgeladen werden. Es ist uns gelungen, die Einkommen der Beschäftigten zu stabilisieren und Arbeitsplätze zu sichern. Das ist zunächst eine Frage der Gerechtigkeit. Wir stärken damit aber auch die Nachfrage und stützen somit die gesamtwirtschaftliche Entwicklung.“

Dauerhafte Arbeitszeitverkürzung bei stabilen Monatsentgelten

Das Transformationsgeld von 18,4 Prozent – ab 2023 dann 27,6 Prozent eines Monatsentgelts – können Betriebe je nach wirtschaftlicher Lage einsetzen. Betriebe, denen es gut geht, zahlen das Geld an die Beschäftigten aus. Betriebe, denen es schlecht geht, wandeln das Geld in mehr Freizeit für die Beschäftigten um, verkürzen dadurch die Arbeitszeit und sichern damit Arbeitsplätze.

Eine solche Wahlmöglichkeit zwischen Geld oder Zeit hatte die IG Metall bereits 2018 mit dem "Tariflichen Zusatzgeld" (T-ZUG) geschaffen. Beschäftigte können individuell wählen zwischen Geld oder Zeit: bis zu acht freie Tage, die viele Beschäftigte nutzen, um mehr freie Zeit für sich und ihre Familien zu haben.

In der Corona-Krise haben viele Betriebe die T-ZUG-Tage auch kollektiv zur Sicherung von Arbeitsplätzen genutzt. Mit dem neuen Transformationsgeld kommt nur eine weitere kollektive Geld-Zeit-Option für Betriebe dazu.

In Verbindung mit weiteren Tarifelementen können Betriebe dadurch nun die Arbeit auf bis zu vier Tage in der Woche verkürzen, wobei etwa bei einer Verkürzung von 35 auf 32 Stunden gut 34 Stunden bezahlt werden. Das geht bis zu drei Jahre lang, anders als bisher bei Kurzarbeit (ab 2022 wieder nur 12 Monate) und den bisherigen Tarifregeln zur Beschäftigungssicherung (für 6 Monate erzwingbar, ohne Entgeltausgleich). Damit können Betriebe nun auch eine längere Transformation von bis zu drei Jahren überbrücken – etwa den Umstieg auf Elektroautos,

IG Metall und Betriebsräte gestalten durch Zukunftstarifverträge mit

Außerdem setzte die IG Metall im Tarifabschluss Rahmenregeln für Zukunftstarifverträge in den Betrieben durch. In den Zukunftstarifverträgen handelt die IG Metall Investitionen in den Standort, in zukunftsfähige Produkte und in die Arbeit der Zukunft aus. Bisher jedoch gelang das in der Regel erst dann, wenn der Betrieb bereits in der Krise ist und der Arbeitgeber wegen Personal- und Tarifkürzungen auf Betriebsräte und IG Metall zukommt.

Jetzt jedoch können IG Metall und Betriebsräte die Initiative ergreifen, bereits vor einer Krise eingreifen und den Arbeitgeber zu Verhandlungen über die Zukunft auffordern. Die neue tarifliche Regelung gibt den Betrieben nun Prozesse an die Hand, die die Mitbestimmung der Beschäftigten in Zukunfts- und Innovationsfragen auf betrieblicher Ebene durchsetzen.

Den Baustein für die Gestaltung der Transformation haben die Verhandlungsführer in dem Tarifvertrag „Zukunft, Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigungssicherung“ verankert. Dieser Tarifvertrag schreibt fest, dass die Betriebsparteien über die Herausforderungen der Transformation im Betrieb beraten müssen, wenn eine Betriebspartei das wünscht. Dazu können die Tarifvertragsparteien hinzugezogen werden.

Teil dieser Gespräche kann eine gemeinsame Analyse der betrieblichen Situation sein, die zum Beispiel die Wettbewerbsfähigkeit oder die Beschäftigungsentwicklung des Unternehmens ins Visir nimmt. Auf dieser Basis sollen dann Transformationsprozesse erfasst und Lösungen gemeinsam und verbindlich erarbeitet werden.

Gibt es keine Einigung über das Bestehen eines Regelungsbedarfs, kann eine Moderation vereinbart werden. Einen Zwang zur Einigung gibt es nicht. Den Betriebsparteien steht eine „Agentur Transformation“, die von Metall NRW und IG Metall NRW gegründet wird, beratend zur Seite.

Tarifverträge auf ausbildungsintegrierte dual Studierende ausgeweitet

Tarifliche Regelungen für Auszubildende werden künftig endlich auch auf dual Studierende ausgeweitet. 110.000 dual Studierende lernen mittlerweile bundesweit gleichzeitig an der Hochschule und im Betrieb. Doch bislang waren sie von den Tarifverträgen für Auszubildende ausgeschlossen, für sie galten keine Tarifvergütungen und keine tarifliche Übernahme, auch wenn sie einen Vertrag mit einem Tarifbetrieb haben.

In einer gemeinsamen Erklärung zur Bedeutung des Fachkräftenachwuchses halten Metall NRW und IG Metall NRW fest, dass Dual Studierende künftig während ihrer Berufsausbildung unter den Geltungsbereich der Tarifverträge der Metall- und Elektroindustrie fallen.

„Dass die Arbeitgeber anerkennen, dass Tarifverträge auch für ausbildungsintegrierte Dual Studierende gelten, ist ein Meilenstein", meint Knut Giesler, Verhandlungsführer und Bezirksleiter der IG Metall in NRW. "Sie erkennen damit an, dass auch für Studierende die Übernahme nach der Ausbildung gilt.“

In den anderen Tarifgebieten wird es nun darum gehen, den Abschluss aus NRW auf die unterschiedlichen länderspezifischen Regelungen zu dual Studierenden zu übertragen.

Zudem werden die Tarifvertragsparteien in NRW bis zum 30. September 2021 die Situation der weiteren Fälle von Dual Studierenden in den Betrieben evaluieren und prüfen, inwieweit sich tarifpolitischer Handlungsbedarf ergibt. Vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels werden die Tarifvertragsparteien auch nach Wegen suchen, die Ausbildungsbereitschaft positiv zu beeinflussen.

Arbeitgeber ziehen Nullrunde und Tarifkürzungen zurück

Dass die Tarifverhandlungen in der größten Wirtschaftskrise nach dem Zweiten Weltkrieg hart werden, war klar. Doch der Druck der Warnstreiks hat Wirkung gezeigt. Die Arbeitgeber haben ihre Forderung nach einer Nullrunde ohne Entgelterhöhung im Jahr 2021 ebenso vom Tisch nehmen müssen, wie die automatische Absenkung von Tarifen nach betrieblichen Kennzahlen. Eine automatische Differenzierung gibt ausschließlich für das Jahr 2021 und nur für das tarifliche Zusatzgeld B (T-ZUG B oder Zusatzbetrag) in Höhe von etwa 400 Euro jährlich.

Zuvor hatten die Arbeitgeber immer wieder betont, dass es nichts zu verteilen gebe. Erst wenn die Kennzahlen wieder das Niveau von vor der Krise erreichen – frühestens 2022 – sei wieder mehr Geld drin. Nun gibt es doch Geld schon 2021.

Durch eine Absenkung der Arbeitszeit können Arbeitsplätze gesichert werden, denn durch die sinkenden Arbeitskosten können die Unternehmen in schwierigen Zeiten Geld einsparen. Die IG Metall hat immer betont, dass es keine Arbeitszeitabsenkung ohne Teillohnausgleich geben wird. Durch das zusätzliche Volumen, das die Arbeitgeber nun in den „Tariftopf“ werfen, wird dieser Teillohnausgleich künftig finanziert – der Erhalt der Arbeitsplätze wird somit nicht allein auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen.

Mehr Informationen

Druckansicht