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23.06.2021
Bundesarbeitsgericht: „Christliche“ DHV ist nicht tariffähig

Der achtjährige Kampf der DGB-Gewerkschaften sowie der Bundesländer Berlin und Nordrhein-Westfalen gegen Dumpingtarifverträge ist erfolgreich

Urteil stärkt die Beschäftigten

Die Dumping-Tarife der „christlichen“ Scheingewerkschaft DHV sind ungültig. Das hat das Bundesarbeitsgericht entschieden. Zehntausende Beschäftigte in Dienstleistungsbranchen wie den Textilen Diensten haben nun die Chance auf bessere Tarife. Die IG Metall startet dazu eine Kampagne.

Die zum Christlichen Gewerkschaftsbund gehörende „Berufsgewerkschaft“ DHV (ehemals Deutscher Handlungsgehilfenverband) darf keine Tarifverträge mehr abschließen. Das hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden. Alle Tarifverträge der DHV seit 2015 sind damit ungültig.

Klage der DGB-Gewerkschaften gegen Scheingewerkschaften

Damit gab das BAG der Klage der Gewerkschaften ver.di, IG Metall, NGG und des DGB recht. Nach Auffassung des BAG ist die DHV keine Gewerkschaft, da ihr die Mächtigkeit fehle, Tarifverträge durchzusetzen. Gewerkschaften müssen, wenn sie tariffähig sein wollen, über die notwendige Durchsetzungskraft verfügen, um notfalls auch für ihre Forderungen streiken zu können. Doch dazu hat die DHV aus Sicht des BAG nicht genügend Mitglieder.

Über Jahre hat die DHV den Arbeitgebern Gefälligkeitstarife zu Lasten der Beschäftigten geliefert – etwa bei Banken, Versicherungen, im Handel, in den Krankenhäusern und in der Fleischwirtschaft – und dabei ihre Tarifzuständigkeit ständig erweitert.

Im Organisationsbereich der IG Metall betrifft das BAG-Urteil gegen die DHV vor allem die Textilen Dienstleistungen – überwiegend Großwäschereien für Berufs- und Krankenhauswäsche. Schätzungsweise 13.000 der insgesamt 40.000 Beschäftigten der Branche wurden bislang mit den christlichen Dumpingtarifen der DHV abgespeist. Dabei hat der DHV nach eigenen Angaben nur 195 Mitglieder in den Textilen Dienstleistungen.

Acht Jahre Gerichtsverfahren gegen „christliche Dumping-Tarife

„Die IG Metall begrüßt den Beschluss des BAG und die damit verbundene Stärkung der Tarifautonomie“, erklärt Jörg Hofmann, Erster Vorsitzender der IG Metall. „Die Tarifverträge der IG Metall erfahren durch das Urteil eine Aufwertung. Tarifverträge sind kein Selbstzweck. Sie werden von den Mitgliedern erstritten und setzen die Messlatte für die Umverteilung in den Unternehmen. Sie zu unterbieten, bedeutet den Beschäftigten Geld vorzuenthalten.“

Das jetzige Verfahren (Aktenzeichen: 1 ABR 28/20) geht zurück auf einen gemeinsamen Antrag der Länder Berlin und Nordrhein-Westfalen, der Gewerkschaften ver.di, IG Metall und NGG sowie des DGB Ende 2013 beim Arbeitsgericht Hamburg. Dies stellte fest, dass die DHV keine tariffähige Gewerkschaft ist. Das Landesarbeitsgericht (LAG) Hamburg hob diese Entscheidung auf. Anschließend befasste sich das Bundesarbeitsgericht (BAG) mit dem Rechtsstreit und verwies ihn an das LAG zurück. Das LAG sei rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, dass die DHV tariffähig sei. Das LAG Hamburg korrigierte diese Entscheidung und stellte die Tarifunfähigkeit der DHV fest. Auf die hiergegen eingelegte Rechtsbeschwerde hat das BAG die Entscheidung des LAG vollumfänglich bestätigt.

 „Es war wichtig, dass wir am Thema drangeblieben sind“, bekräftigt Anja Piel, DGB-Vorstandmitglied. „Dass die am Verfahren beteiligten Gewerkschaften über acht Jahre gekämpft haben, hat nun abschließend zum Erfolg geführt.“

Weiteres Urteil gegen „christliche“ Scheingewerkschaften

Mit dem Urteil gegen die DHV hat das BAG einer weiteren sogenannten „christlichen Gewerkschaft“ die Rechtsgrundlage für ihre Dumping-Tarifverträge entzogen.

Bereits 2015 hatte das BAG die Tarifunfähigkeit der „Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen“ (CGZP) und die Ungültigkeit ihrer Billig-Tarifverträge für die Leiharbeit festgestellt. Seitdem konnte die Tarifgemeinschaft des DGB ihre Tarife für die Leiharbeit deutlich verbessern.

Durch die neue Entscheidung des BAG gegen die DHV erwarten die DGB-Gewerkschaften, dass sich nun auch in einem großen Teil der Dienstleistungsbranchen die rechtliche und finanzielle Situation der Beschäftigten verbessert.

IG Metall startet Kampagne in den Textilen Dienstleistungen

Die Beschäftigten der Textilen Dienste machen einen wichtigen Job: sie beliefern z. B. Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen mit keimarmer Wäsche und sorgen für die Hygiene in Sanitärräumen öffentlicher Gebäude. Während der Pandemie wurde sie hierfür sogar als systemrelevant anerkannt. Doch oft bekommen sie dafür kaum mehr als den Mindestlohn. Einige Arbeitgeber umgingen bislang die besseren IG Metall-Tarife für die Textilen Dienstleistungen durch die Billigtarife der DHV.

Mit dem BAG-Urteil gibt es in den Textilen Dienstleistungen – vor allem Großwäschereien für Berufs- und Krankenhauswäsche – nun nur noch die Tarifverträge der IG Metall und des Arbeitgeberverbands intex. Die IG Metall will jetzt die Tarifbindung in der Branche stärken und ihre Tarifverträge auf mehr Betriebe und Beschäftigte ausdehnen. Dazu startet die IG Metall eine bundesweite Kampagne.

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