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14.08.2021
IG BCE: "Der ökologische Umbau kann übel scheitern"

Michael Vassiliadis, Vorsitzender der Gewerkschaft Bergbau-Chemie-Energie, nimmt im Gespräch mit der "Augsburger Allgemeinen" Stellung zum Klimaschutz

Michael Vassiliadis, Vorsitzender der Gewerkschaft IG BCE, nimmt Stellung zur Klimaschutzpolitik in Deutschland

Für ein Gelingen der angestrebten ökologischen Transformation der Gesellschaft hält der Gewerkschaftsvorsitzende Michael Vassiliadis in einem Interview mit einer Tageszeitung einen viel schnelleren Ausbau der erneuerbaren Energien für erforderlich.

Zur Finanzierung sozialer Ausgleichsmaßnahmen im Klimaschutz plädiert der Gewerkschaftsvorsitzende für eine neue Vermögenssteuer und eine höhere Erbschaftssteuer. Die Industriestaaten benötigten auch im Rahmen einer umfassenden Klimaschutzpolitik weiterhin verlässliche und ausreichende Energiequellen. Hier sieht Vassiliadis einen großen Nachholbedarf, weil der Ausbau von Wind- und Solarenergie in Deutschland die letzten Jahre lahmt. Auch der Ausbau der erforderlichen Stromtrassen aus Nord- nach Süddeutschland käme kaum voran. Dadurch befürchtet Vassiliadis ein großes Loch in der deutschen Energiebilanz, wenn kurzfristig alle Atom- und mittelfristig alle Kohlekraftwerke in Deutschland abgeschaltet würden.

Am vereinbarten Ausstiegsdatum 2038 für die deutsche Kohleenergie möchte der Gewerkschaftsvorsitzende vorerst festhalten. Er sieht aktuell keine realistische Möglichkeit, vorher ausreichend erneuerbare Energien und Gaskraftwerke zur Verfügung zu stellen. Ein rein politisch gesetztes Ausstiegsdatum bringe auch nichts, weil dann die Bundesnetzagentur per Weisung den Weiterbetrieb von Kohlekraftwerken anordne, um die Stabilität des Stromnetzes zu gewährleisten und Stromausfälle ("Blackouts") zu vermeiden. Dies sei heute schon in Baden-Württemberg der Fall, wo die grün geführte Landesregierung zwar offiziell aus der Kohleenergie ausgestiegen sei, aber die Kraftwerke zur Netzstabilisierung trotzdem weiter betrieben würden.

Zur Bundestagswahl Ende September 2021 bezieht Vassiliadis ebenfalls indirekt Stellung. Denn von der neuen Bundesregierung erwartet er, dass sie in einem 100-Tage-Programm ein detailliertes Ausbauprogramm für erneuerbare Energien und für große Stromtrassen von Nord nach Süd auf den Weg bringt. Des Weiteren müsse sie festlegen, welche Reservekapazitäten an fossilen Kraftwerken erhalten und wie viele Gaskraftwerke neu gebaut werden müssten, um auch künftig in Deutschland ausreichend Energie zur Verfügung zu haben. Hierfür bedürfe es verbindlicher Festlegungen, um die Gefahr weitflächiger Stromausfälle zu vermeiden und der Industrie sowie den Energiekonzernen verlässliche Rahmenbedingungen für ihre Zukunftsinvestitionen zu bieten. Bisherige Kohlereviere könnten Zentren erneuerbarer Energien werden, etwa für die Wasserstoffwirtschaft. Hierfür stehe die Politik in der Pflicht, denn Klimaschutz dürfe nicht gegen Arbeitsplätze und soziale Sicherheit ausgespielt werden.

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