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03.11.2021
Homeoffice: Ausweitung flexibler Arbeitszeiten gefährdet Arbeitnehmergesundheit

Eine aktuelle Studie des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung warnt vor Plänen der Ampelkoalition

FDP will totale Entgrenzung von Arbeit durchsetzen

In den laufenden Sondierungsgesprächen für die neue Bundesregierung zwischen SPD, GRÜNEN und FDP wollen die Liberalen mehr Arbeitszeitflexibilität durchsetzen. Arbeitszeiten über 10 Stunden sollen möglich sein, Ruheregelungen sollen aufgeweicht werden, es soll nur noch die wöchentliche Höchstarbeitszeit von 48 Stunden gelten. Die Gewerkschaften warnen dringend vor diesen Plänen.

Denn wie eine aktuelle Untersuchung der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung belegt, dürfte die Aufweichung fester Arbeitszeitregeln für abhängig Beschäftigte zusätzliche Belastungen bringen. Bereits jetzt, weisen die Arbeitsforscherinnen Elke Ahlers und Yvonne Lott in ihrer Studie nach, machen Beschäftigte in Deutschland rund 3,5 Überstunden pro Woche. Für ihre Homeoffice-Analyse befragten die beiden rund 4.500 Beschäftigte im Juli 2021.

Vertrauensarbeitszeit im Homeoffice erhöht Stress und Krankheitsgefahr

Das Ergebnis der Böckler-Studie: Gerade bei Vertrauensarbeitszeit im Homeoffice komme es zu belastender Mehrarbeit. Diese Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer machten mit 3,5 Stunden pro Woche fast doppelt so viele Überstunden, wie wenn die Arbeitszeit betrieblich erfasst wird. Und selbst dann kommen Vollzeitbeschäftige immer noch auf zwei Überstunden pro Woche. Darüber hinaus werden Überstunden im Homeoffice häufig nicht erfasst und somit auch nicht vergütet.

Besonders betroffen seien Menschen mit Projektarbeit, festen Abgabeterminen oder wenn es eine indirekte Leistungssteuerung gebe. Bei einer solchen ergebnisorientierten Führung sind die Beschäftigten selbst dafür verantwortlich, wie sie ein vorgegebenes Ziel erreichen. Viele Studien haben aber mittlerweile gezeigt: Das führt oft zu Überstunden, die sehr oft nicht festgehalten oder ausgeglichen werden. Dabei leidet laut der Studie bereits heute die Hälfte der Erwerbstätigen in Deutschland unter Stress. Jede und jeder Zweite habe Probleme, von der Arbeit abzuschalten. Damit steige die Gefahr von Stresserkrankungen wie etwa Burnout.

Gewerkschaften fordern von geplanter Ampelkoalition mehr Arbeitnehmerschutz

Vor diesem Hintergrund warnt der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) eindringlich vor den Plänen der Ampelkoalition. "Das Letzte, was wir brauchen, sind noch längere Arbeitszeiten oder Einschränkungen der Ruhezeiten", sagt dazu der DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann. Arbeitszeiten sollten konsequent erfasst werden. Dies müsse selbstverständlich auch im Homeoffice gelten, sowie bei Vertrauensarbeitszeit, wie der Europäische Gerichtshof (EUGH) bereits 2019 geurteilt hatte. Die Große Koalition auf Bundesebene verweigerte auf Druck der CDU/CSU die von der SPD angestrebte gesetzgeberische Regelung zum EUGH-Urteil. Der DGB fordert auch mehr Möglichkeiten zu echter Arbeitszeitsouveränität, etwa durch den Ausbau der Brückenteilzeit, also einer befristeten Teilzeitarbeit mit Rückkehranspruch in Vollzeit. Auch müsse es das Recht geben, den Ort der Arbeit (sofern für den Arbeitgeber zumutbar) selbst bestimmen zu können, meint der DGB.

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