Startseite
07.01.2022
Hans-Böckler-Stiftung: Arbeitsbedingungen in der Pflege verbessern!

In Deutschland herrscht seit Jahren Pflegenotstand. Die Arbeitsbedingungen im Gesundheitswesen, in der Pflege und in Krankenhäusern sind schlecht. Während der Corona-Pandemie hat sich daran vieles noch verschärft und leider wenig gebessert.

Der Pflegebereich steht nicht erst seit Corona unter einem harten neoliberalen Spardruck, der gute Pflege sehr erschwert (Foto: Pixabay)

Bessere Arbeitsbedingungen dringend erforderlich

„Das System muss geheilt werden“, so Bettina Rödig, die als Kinderkrankenpflegerin und Betriebsrätin in München arbeitet, im Gespräch. Nach 15 Monaten Pandemie blicke in den Krankenhäusern niemand mehr mit Tatendrang in die Zukunft. Die Arbeitsbelastung habe so immens zugenommen, dass die übergroße Mehrheit sich völlig machtlos fühle.

Für die Zukunft hofft sie auf eine Generation Pflegerinnen und Pfleger mit einem größeren Selbstbewusstsein für ihren Beruf und darauf, dass die Menschen in der Pflege aus ihrer Resignation geholt und der gewerkschaftliche Organisationsgrad in Kranken- wie Altenpflege erhöht werden kann.

Breite Mehrheit für öffentliche Investitionsoffensive

Die Leiterin der Forschungsförderung der Hans-Böckler-Stiftung, Dorothea Voss, ist Expertin für Arbeitsbedingungen in sozialen Berufen und betont am Tag der Pflege und der Pflegenden 2021, dass der öffentliche Druck immerhin dazu geführt hat, dass allen klar wurde, wie wichtig Tarifverträge für ordentliche Löhne sind. Der Personalmangel sei für die Beschäftigten seit langem ein drängendes Problem. Pflegekräfte wollen gute Arbeit machen und können das nicht, wenn die Personalbemessung nicht stimmt. Derzeit führe die Kombination aus Personalmangel und unzureichender Entlohnung dazu, dass zu viele Pflegekräfte wegen der Arbeitsbedingungen aussteigen.

Dabei befürwortet laut einer repräsentative Befragung im Auftrag des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) von November 2021 eine breite Mehrheit der Menschen in Deutschland eine öffentliche Investitionsoffensive in den kommenden Jahren – gut 86 Prozent der Befragten sprechen sich dafür aus, Investitionen und Personalschlüssel im Bereich Gesundheit und Pflege „stark“ oder „etwas“ zu erhöhen.

Düstere Szenarien in Krankenhäusern und Pflegebereich

Personalmangel und Stress prägen den Alltag. Grund ist vor allem die totale Ökonomisierung der Betriebe. „Dabei haben Krankenhäuser doch eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe“, sagt Regina Dickey, Betriebsrätin der Uniklinik Gießen und Mitglied im Aufsichtsrat des Rhön Klinikums. Krankenhäuser sind heute vor allem auf Gewinn ausgerichtete Unternehmen. Deswegen tummeln sich hier viele Privatinvestoren. Dickey und ihre Kolleginnen und Kollegen befürchten, dass der Druck aus der Wirtschaftsabteilung steigt und die Tarifverträge in den Tochterunternehmen bald Geschichte sein werden.

Im Pflegedienst deutscher Krankenhäuser fehlen mehr als 100.000 Vollzeitstellen. Diese Lücke sei „keine unvermeidbare quasi naturwüchsig entstandene Situation, sondern vor allem durch Regelungen der Krankenhausfinanzierung hervorgerufen, die Krankenhäuser zu Kostensenkungen zwangen und dadurch einen starken Anreiz zum Stellenabbau insbesondere im Pflegedienst setzten“, zeigt unsere Studie von 2017.

Abschaffung der DRG-Fallpauschalen für bessere Pflege nötig

Seitdem scheint sich die Lage weiter verschlechtert zu haben. Gesundheitssystemforscher Prof. Dr. Michael Simon, auch schon Autor der Studie von 2017, geht davon aus, dass in deutschen Allgemeinkrankenhäusern auch aktuell gut 100.000 Vollzeitstellen für Pflegerinnen und Pfleger fehlen. Würde man die Personalbesetzung im Pflegedienst deutscher Krankenhäuser auf das Niveau anheben, das die Schweiz oder Dänemark pro 1.000 Einwohner schon haben, müssten sogar zwischen 160.000 und 260.000 Vollzeitkräfte zusätzlich eingestellt werden.

Simon sieht vor allem durch die DRG-Fallpauschalen, über die seit gut 15 Jahren Behandlungen in deutschen Krankenhäusern abgerechnet werden, eine sehr problematische Entwicklung. Sie erzeugen Kostendruck ohne eine systematische Berücksichtigung von Qualität sowie intransparente, rational nicht begründete Umverteilungseffekte in und zwischen Kliniken, so seine Analyse vom November 2020. Die Gesundheitspolitik solle jetzt konsequent umsteuern und das DRG-System vollständig abschaffen. Die Finanzierung der Kliniken durch sogenannte Fallpauschalen gefährde die Qualität der Behandlung.

Druckansicht