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07.01.2022
Hans-Böckler-Stiftung: Niedrige Monatsentgelte sind weitverbreitet

Eine neue Studie liefert Daten zu Niedriglöhnen für alle Städte und Landkreise in Deutschland – Je nach Region sind zwischen 6 und 43 Prozent der Menschen betroffen

Rund 19 Prozent Niedriglohnanteil in Deutschland

Der Anteil der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die trotz Vollzeitarbeit ein niedriges Monatsentgelt von weniger als zwei Dritteln des mittleren monatlichen Bruttoarbeitsentgeltes aller sozialversicherungspflichtig Vollzeitbeschäftigten bekommen, ist in den vergangenen Jahren zurückgegangen, vor allem in Ostdeutschland.

Trotzdem haben auch 2020 bundesweit noch knapp 19 Prozent der sozialversicherungspflichtig in Vollzeit Beschäftigten in diesem nach Definition der Bundesagentur für Arbeit (BA) „unteren Entgeltbereich“ gearbeitet. Dessen Obergrenze lag 2020 bei maximal 2284 Euro brutto monatlich. Das ergibt eine neue Studie des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung, die auch die neusten verfügbaren Daten für alle deutschen Landkreise und kreisfreien Städte liefert (siehe "Mehr Informationen" unten).

Große Unterschiede der Entgeltungleichheit

Die Auswertung zeigt große Unterschiede nach Regionen, Geschlechtern, Branchen und Qualifikation: Während 2020 in Wolfsburg oder Erlangen 6,4 bzw. 8,3 Prozent der Vollzeitbeschäftigten im unteren Entgeltbereich arbeiteten, galt das etwa in Görlitz oder dem Saale-Orla Kreis jeweils für spürbar mehr als 40 Prozent. Die höchste Quote weist der Erzgebirgskreis mit 43,2 Prozent auf (siehe auch die Tabelle in der PDF-Version dieser Pressemitteilung).

Unter den Frauen müssen bundesweit 25,4 Prozent mit einem niedrigen Monatseinkommen trotz Vollzeitarbeit auskommen, unter den Männern 15,4 Prozent. Überdurchschnittlich häufig betroffen sind auch junge Vollzeitbeschäftigte, solche mit ausländischer Staatsangehörigkeit und Personen ohne Berufsabschluss. Besonders ausgeprägt ist der untere Entgeltbereich in Branchen wie dem Gastgewerbe, der Leiharbeit oder der Land- und Forstwirtschaft.

Ostdeutschland am stärksten betroffen

Deutschlandweit zählten 2020 nach der Abgrenzung der BA 18,7 Prozent der Vollzeitbeschäftigten zu den Geringverdienenden. Seit 2011 ist dieser Anteil in kleinen jährlichen Schritten von damals 21,1 Prozent kontinuierlich gesunken, gleichzeitig stieg die statistische Zwei-Drittel-Verdienstgrenze um rund 10 Prozent. Der Rückgang fiel in Ostdeutschland deutlich stärker aus als im Westen, allerdings auf einem viel höheren Ausgangs- und Endniveau (Rückgang von 39,3 auf 29,1 Prozent im Osten gegenüber 16,9 auf 16,4 Prozent im Westen; siehe auch Tabelle 2 in der Studie unten).

Da gleichzeitig bundesweit die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung deutlich wuchs, haben sich die absoluten Zahlen der Betroffenen unterschiedlich entwickelt: Während im Osten die Zahl der Vollzeitbeschäftigten im unteren Entgeltbereich um gut 320.000 sank, stieg sie im Westen um mehr als 200.000 Personen an. Obwohl sich der Abstand zwischen West und Ost somit verringerte, bleiben die regionalen Differenzen nach der WSI-Analyse weiterhin groß: Unter den ostdeutschen Stadt- und vor allem den Landkreisen sind Quoten von mehr als 30 Prozent weiterhin relativ häufig. Dagegen bleiben im Westen auch jene vorwiegend ländlich geprägten Regionen mit vergleichsweise hohen Anteilen unter dieser Marke

Verlässliche Datengrundlage für die Studie

Für die Studie werteten die WSI-Forscher Dr. Eric Seils und Dr. Helge Emmler die aktuellsten verfügbaren Entgelt-Daten der BA zur „Kerngruppe“ der Vollzeitbeschäftigten aus, in der die große Mehrheit der sozialversicherungspflichtig Beschäftigen erfasst ist, aber beispielsweise keine Auszubildenden. Die Daten stammen aus Meldungen von Arbeitgebern zur Sozialversicherung und kommen häufig direkt aus der betrieblichen Lohnbuchhaltungssoftware, daher dürften sie nach Einschätzung der Wissenschaftler auch für die Ebene von Stadt- und Landkreisen verlässlich sein.

Seils und Emmler konzentrieren sich in ihrer Untersuchung auf Personen, die laut BA-Statistik Vollzeit arbeiten und trotzdem 2020 höchstens 2284 Euro monatliches Bruttoeinkommen erzielten. Bei diesem Wert setzt die Bundesagentur aktuell die bundesweite Obergrenze des unteren Entgeltbereichs an. Genaue Arbeitszeiten enthält die BA-Statistik nicht, so dass es nicht möglich ist, Stundenlöhne zu berechnen.

Mehr Informationen:

- Eric Seils, Helge Emmler: Der untere Entgeltbereich. WSI Policy Brief Nr. 65, Januar 2022
- Die Pressemitteilung mit Tabelle (PDF-Datei)

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