Startseite
18.01.2022
INFO-Institut: Situation und Zukunftsperspektiven der Autoindustrie

Das arbeitnehmernahe Beratungsunternehmen INFO-Institut aus Saarbrücken erläutert in seinem aktuellen Rundbrief Nr. 01/2022 die Situation und Zukunftsperspektiven der deutschen Autoindustrie

Der Blick in die Zukunft der deutschen Automobilindustrie

Automobile sind wichtig für Freiheit und Wohlstand, sie werden von Menschen gelenkt und der Antrieb ist ein Verbrennungsmotor: So definiert sich seit Jahrzehnten die Autoindustrie in Deutschland. Doch aktuell befindet sie sich in einem starken Wandel, einer Transformation hin zu autonomem Fahren und Elektromobilität – und noch ist unsicher, ob sie dabei nachhaltig erfolgreich bleibt.

Die deutsche Bundesregierung hat dazu 2018 mit der "Nationalen Plattform Zukunft der Mobilität (kurz: NPM)" ein Expertengremium eingesetzt. Sie spricht in sechs Arbeitsgruppen über die bedeutendsten Fragen der Transformation und spricht politische Empfehlungen aus. Die Arbeitsgruppe 4, unter der Leitung des IG Metall-Vorsitzenden Jörg Hofmann, setzt sich dabei vor allem mit der Transformation von Wertschöpfung und Beschäftigung auseinander. Mittlerweile besteht Einigkeit darüber, dass in den kommenden Jahren eine sechsstellige Zahl von Menschen und Arbeitsplätzen in Deutschland stark von der Transformation betroffen sein wird.

Wie lautet die Einschätzung der "Nationalen Plattform Zukunft der Mobilität"?

Mit dem "Green Deal" der Europäischen Union, der Anhebung der deutschen Klimaschutzziele und dem Koalitionsvertrag der Ampel-Bundesregierung ist die Ablösung des Verbrenners ab 2035 absehbar. Prognostiziert wird für Deutschland ein Neuwagenanteil elektromobiler Antriebe (batterieelektrisch und hybrid) von 39% im Jahr 2025 und von 76% im 2030 (EU: 29% und 56%). Deshalb meint die NPM, dass der langfristige Erfolg der deutschen Automobilindustrie davon abhängig ist, ob die Elektromobilitätskomponenten auf die Dauer wettbewerbsfähig in Europa gefertigt werden können.

Im Blick stehen dabei die Kernkomponenten: elektrischer Antriebsstrang, Batterie(zelle), Brennstoffzelle, Leistungselektronik sowie die elektrische Maschine. Der Aufbau einer nennenswerten europäischen Fertigung von Batteriematerialien, -zellen und -modulen wird für die Zukunft als entscheidend angesehen. Zwar wurden im Jahr 2021 noch ca. 2/3 des Zellbedarfs importiert, vor allem aus Ostasien. Doch für die Zukunft ist der Aufbau enormer Produktionskapazitäten für Europa angekündigt. Sie dürften bereits ab 2024 den voraussichtlichen Eigenbedarf der Europäischen Union sogar übersteigen.

Ausbau von Leistungselektronik und Systemtechnik erforderlich

Bis ins Jahr 2030 werden ungefähr 65.000 Beschäftigte für die Zell-, Modul-/Systemfabriken und den Maschinenbau benötigt. Voraussetzung ist, dass ausreichend erneuerbare Energien für Produktion und Betrieb und zu wettbewerbsfähigen Preisen verfügbar sind. Auch wird der Aufbau eines Batterierecyclings wichtiger als heute werden, da Lithium und Kobalt vermutlich knapp werden. Für 2040 erwartet die NPM ein Umsatzpotential von über 5 Milliarden Euro im Batterierecycling.

Zur Leistungselektronik sieht die NPM Nachholbedarfe für Deutschland in der Software- und Produktionstechnologie. Zusätzlich sollten integrierte Systemtechnik und Systemlösungen ausgebaut werden. In diesem Bereich soll der Personalbedarf bis 2030 um das Fünffache steigen. Dies schafft das Potential, um bis zu 20% der wegfallenden Beschäftigung am Verbrennermotor durch Leistungselektronik zu ersetzen.

Brennstoffzelle und Autonomes Fahren als Beschäftigungspotentiale

Der Brennstoffzelle gibt die NPM wegen der technologischen Reife und der Synergiepotentiale mit anderen Wasserstoffanwendungen sowie der bestehenden nationalen Wasserstoffstrategie hohe Chancen für einen industriellen Durchbruch. Sollte der Aufbau von Wertschöpfungsketten für Leistungselektronik und Brennstoffzelle gelingen, sieht die NPM gute Chancen für zusätzliche Arbeitsplätze. Trotzdem dürfte durch Leistungselektronik und Brennstoffzelle bis 2030 nur wenig Beschäftigung entstehen. Beschäftigungseffekte werden vor allem ab 2030 erwartet.

Das Autonome Fahren ist technisch so fortgeschritten, dass seit Juli 2021 das Level 4 des Autonomen Fahrens rechtlich möglich ist. Weiter bleiben aus Sicht der NPM jedoch entscheidende Fragestellungen offen – unter anderem zur Infrastruktur und Kommunikation der Fahrzeuge sowie zur Verkehrssicherheit und Sicherheitsvalidierung. Um diesbezüglich in Zukunft Fortschritte zu machen, sieht die NPM als wichtigen Baustein, das Autonome Fahren in Kommunen stärker zu erproben und in geeigneter Weise zu fördern.

Druckansicht