Startseite
10.06.2013
Kommentar: Wie weiter mit der Leiharbeit bei Schaeffler?

Was sind Dauerarbeitsplätze?

Deutschland: Mehr Niedriglöhne als die Nachbarn

Seit 2003 hat die Leiharbeit in der Metall- und Elektroindustrie explosionsartig zugenommen. Die gesetzliche Grundlage dafür hat die damalige rot-grüne Koalition geschaffen. Spätere Regierungskoalitionen von schwarz-rot und schwarz-gelb haben an dieser Rechtslage wenig geändert. Seitdem haben wir im reichen Deutschland einen zweigeteilten Arbeitsmarkt und Millionen prekär Beschäftigte.

Die Unternehmen der Metall- und Elektroindustrie haben die neuen Möglichkeiten der Flexibilisierung der Arbeitskosten und der Lohnsenkung genutzt. Durch die letzte Krise fühlen sie sich bestätigt, dass sie einen flexiblen Puffer von 20 Prozent und mehr bei den Arbeitskosten brauchen, um schnell reagieren zu können. Zeitarbeit bleibt ein zentrales Instrument der Arbeitgeber.

Dagegen stehen die Gewerkschaften und die Betriebsräte in der Industrie unter enormen Druck, die Ausdehnung der Leiharbeit einzuschränken, die Lage und die Vergütung der Leiharbeitnehmer zu verbessern und die Auswirkungen der gefährlichen Spaltung in Stamm- und Randbelegschaften zu verhindern.

Tarifregelungen zur Leiharbeit: Erfolge, aber Kampf geht weiter

Mit dem Branchenzuschlag Metall und mit der tariflichen Regelung der Einsatzbedingungen für Leiharbeitnehmer hat die IG Metall 2012 einen Durchbruch erzielt. Arbeitnehmervertreter und Arbeitgeber haben jetzt einen neuen Rahmen für die Leiharbeit in der Metall- und Elektroindustrie.

Aber der betriebliche Kampf um die Leiharbeit ist damit nicht erledigt. Erstens geht es um die praktische Umsetzung der Tarifvereinbarungen von 2012, damit die Leiharbeiter auch das bekommen, was ihnen vertraglich zusteht. Das ist bekanntlich nicht immer der Fall.

Außerdem geht es weiter ums Geld, um betriebliche Quoten, um die Übernahme von Leiharbeitern. Denn die Spaltung in Kern- und Randbelegschaft ist nicht überwunden. Teilweise ist der Einsatz von Leiharbeitnehmern ausgeufert, die Zahl der Leiharbeiter im Verhältnis zur Gesamtbelegschaft zu hoch. Außerdem liegt die jetzige Vergütung der Leiharbeitnehmer immer noch weit unter Equal Pay. 

Und bei Schaeffler steht immer noch die bundesweite Übernahme der QB-Regelung, die derzeit für Schweinfurt, Eltmann und Elfershausen gilt, im Raum.

Dauerarbeitsplätze: Lohnt der Streit?

Dagegen ist das Thema Einsatzdauer von Leiharbeitnehmern zunächst vom Tisch. Denn im neuen Tarifvertrag sind zeitliche Grenzen definiert. Nach deren Überschreitung muss der Leiharbeitnehmer eine unbefristete Anstellung bekommen. Nach Tarifvertrag nach 18 Monaten. Bei Schaeffler im Regelfall nach 24 Monaten im Gegenzug für einen deutlichen Aufschlag auf die tarifliche Vergütung für Leiharbeitnehmer.

Andererseits sollen laut Tarifvertrag Leiharbeitnehmer nicht auf Dauerarbeitsplätzen beschäftigt werden, die aufgrund ihrer Rolle im Arbeits- und Produktionsablauf als Dauerarbeitsplätze definiert sind. Für Arbeitsplätze in Projekten gilt diese Einschränkung wiederum nicht.

Das lässt natürlich Spielraum für Interpretationen und für Streit zwischen den Betriebsparteien. Überstimmung gibt es wahrscheinlich, dass Urlaubs-, Krankheits- oder Elternzeitvertretungen keine Dauerarbeitsplätze sind. Oder dass Arbeitsplätze an einer Pilotfertigung, die nach stabilem Anlauf irgendwohin in die Welt verlagert werden soll, keine Dauerarbeitsplätze sind.

Aber welche Arbeitsplätze sind wirklich unersetzlich, also Dauerarbeitsplätze? Darüber lässt sich trefflich streiten. Aber macht es Sinn, dass sich ein Betriebsrat hier „verkämpft“?

Zum Kapitalismus gehört das Auf und Ab von Konjunktur und Krise mit Einbrüchen von bis zu 80 (!!) Prozent – etwa bei der LKW-Produktion in der Krise 2009. Zu diesem Wirtschaftssystem gehört die ständige Umwälzung der Arbeitsabläufe und Arbeitsplätze im Unternehmen. Ständig entstehen neue Arbeitsplätze, andere fallen weg. Die Definition von Dauerarbeitsplätzen ist also schwierig – vom Öffentlichen Dienst einmal abgesehen. 

Juristische Klärung ersetzt nicht die betriebliche Mobilisierung gegen Leiharbeit

Für die betriebliche Auseinandersetzung um den Einsatz von Leiharbeitnehmern ist die Klärung der Frage „Ist das ein Dauerarbeitsplatz oder nicht?“ marginal. Sie sorgt allenfalls für Sand im Getriebe. Zumal der Arbeitgeber sich darauf berufen kann, dass mit der 18-Monate-Frist im Tarifvertrag und mit der 24-Monate-Frist bei Schaeffler Anhaltspunkte für Dauerarbeitsplätze definiert sind.

Sowohl Stammbelegschaft als auch Leiharbeitnehmer haben dagegen ein elementares Interesse daran,

  • dass der Anteil der Leiharbeitnehmer an der Gesamtbelegschaft auf wenige Prozent begrenzt bleibt und dass sich schon allein damit die Frage „Dauerarbeitsplatz oder nicht?“ weitgehend erledigt;
  • dass möglichst viele Leiharbeitnehmer regelmäßig auf unbefristete Arbeitsplätze übernommen werden;
  • dass die Leiharbeitnehmer die gleiche Bezahlung bekommen.

Das lohnt den Einsatz und die Konzentration der Betriebsräte und der gewerkschaflichen Vertrauensleute im Betrieb.

Dagegen ist die Klärung der Frage „Was ist ein Dauerarbeitsplatz?“ ein Programm zur Arbeitsbeschaffung für Juristen. Auch einschlägige richterliche Entscheidungen ersetzen nicht die betriebliche Mobilisierung zur Eindämmung der Leiharbeit.

Druckansicht