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12.09.2017
Banken und Konzerne: Zu gut vernetzt?

Wie krisenanfällig die weltweite Verflechtung internationaler Banken und Konzerne ist, untersucht der Netzwerkforscher James B. Glattfelder

Die weltweite Finanzkrise ab 2008 hat eines gezeigt: Die handelnden Akteure im Finanzmarkt sind nicht isoliert. Das Scheitern eines Unternehmens, einer Bank, eines Instituts kann Folgen für ein ganzes Land, gar für die Weltwirtschaft haben. Der Begriff des "systemischen Risikos" hat mit dem Zusammenbruch der US-amerikanischen Bank "Lehman Brothers" ein Gesicht bekommen.

Ein junges Fachgebiet - die sogenannte "Netzwerkforschung" - versucht diese Erkenntnis in die Wissenschaft zu übertragen. Die Komplexitätsforschung wertet den Rohstoff der untersuchten Daten in einem Weltbild aus, das vor allem Interaktionen und Verflechtungen untersucht. Dabei nutzen sie „Big Data“, also die beispiellose Menge an nutzbaren Daten, die aus allen menschlichen Aktivitäten herrühren. Ein inzwischen bekannter Netzwerkforscher ist James B. Glattfelder. Er arbeitet an der Universität Zürich an der Fakultät für Bankwesen und Finanzmärkte. Als theoretischer Physiker hat er in der Komplexitätsforschung an der ETH Zürich seine Doktorarbeit geschrieben. Er war zehn Jahre in der Finanzbranche tätig und ist seit 2015 an Startup-Unternehmen in der Finanzwelt beteiligt.

Im Jahr 2011 hat er zusammen mit Koautoren eine Studie veröffentlicht, mit Daten aus dem Jahr 2007: "The Network of Global Corporate Control" (Das Netzwerk der weltweiten Konzernkontrolle). Glattfelder schreibt darüber: "Die Studie hat einiges Aufsehen erregt. Einerseits war diese Herangehensweise für ökonomische Systeme damals noch neu. Andererseits haben unsere Ergebnisse überrascht. Wir haben im globalen Netzwerk einen winzigen, aber dominanten Kern von etwa 150 mächtigen Akteuren entdeckt, die alle hochgradig untereinander vernetzt sind und massive Kontrolle über das gesamte System haben. Dies waren vor allem angelsächsische Finanzinstitute wie Goldman Sachs und Barclay’s, aber auch die Deutsche Bank und – damals noch – Lehman Brothers."

Glattfelder stellt fest: "Wie sieht die Situation heute aus, zehn Jahre nach Erhebung der Daten für unsere Studie? Obwohl einzelne Top-Player ihren Machtstatus abgeben mussten, hat die Finanzkrise den Machtstrukturen im globalen Netzwerk an sich nicht viel geschadet. Es scheint, als ob solche Strukturen, wenn sie einmal entstanden sind, sich nicht durch externe Einflüsse aufbrechen lassen. Wir beobachten auch einen Machttransfer von europäischen Universalbanken hin zu US-amerikanischen Vermögensverwaltern, mit BlackRock an der Spitze. Diese Finanzakteure haben ihre Firmenbeteiligungen massiv ausgebaut. Zum Beispiel besitzen die drei größten Vermögensverwalter (BlackRock, Vanguard und State Street) zusammen den Hauptanteil in fast 90 Prozent der größten US-amerikanischen Firmen."

Seine Schlussfolgerung lautet: "Dies sind alles Indizien, die für eine Neubewertung diverser Probleme im globalen Netzwerk der Wirtschaftsmacht sprechen. Dazu gehören ein zunehmend eingeschränkter Wettbewerb auf Kosten der Konsumenten, neue Möglichkeiten der Steuerumgehung – und natürlich die Frage nach der globalen Finanzstabilität an sich. Zehn Jahre nach der Finanzkrise sehen unsere ökonomischen Systeme kein bisschen robuster, anpassungsfähiger oder nachhaltiger aus als zuvor." Weitere Informationen zur Arbeit von James B. Glattfelder finden sich auf den Seiten des IPG-Journals unter http://www.ipg-journal.de/schwerpunkt-des-monats/konzerne-und-der-staat/artikel/detail/zu-gut-vernetzt-2286/ .

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