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30.11.2018
AfD und Medien – Erfahrungen und Lehren für die Praxis

Die IG Metall-nahe Otto-Brenner-Stiftung (OBS) untersucht kritisch das Verhältnis zwischen der jungen rechtspopulistischen Partei und der Presse

Durch Wahlerfolge und mediale Präsenz ist die AfD zu einem festen Bestandteil in der Innenpolitik geworden. Inzwischen liegen auch vielfältige journalistische Erfahrungen mit der immer noch jungen Partei vor. Schon im Sommer 2017, wenige Wochen vor der Bundestagswahl, war ein viel beachtetes Diskussionspapier mit „Analysen und Handreichungen“ der Otto-Brenner-Stiftung für die journalistische Arbeit erschienen.

In dem jetzt vorgelegten OBS-Arbeitsheft 95 der Stiftung geht es vor allem darum, die mittlerweile gewonnenen journalistischen Erfahrungen zu reflektieren. Prof. Dr. Bernd Gäbler hat diese Erfahrungen gesichtet, ausgewertet und zu einer kritischen Analyse verdichtet. Die Stiftung hofft auf konstruktive Auseinandersetzungen mit ihren „Anregungen aus der Praxis für die Praxis“ und stellt diese zur Diskussion.

„Es ist ein besonderes Anliegen der Otto Brenner Stiftung“, erklärt dazu Geschäftsführer Jupp Legrand, „die Berichterstattung über die rechtspopulistische AfD kontinuierlich zu verfolgen und immer wieder Anregungen zur Reflexion und für Verbesserungen in den Redaktionen zu liefern. Die Studie ist aber nicht nur für Journalisten interessant, sondern für alle, die die Berichterstattung über die AfD kritisch verfolgen und denen eine demokratische Öffentlichkeit am Herzen liegt.“

Besonders die überregionalen Medien hätten dazugelernt, konstatierte der Autor der Studie, Prof. Bernd Gäbler, der auch schon die erste Untersuchung 2017 durchgeführt hatte. Der Medienwissenschaftler resümiert: „Die Berichterstattung über  die AfD ist besser geworden, aber es ist noch viel Luft nach oben.“ Sie folge nicht mehr so sehr einem simplen Reiz-Reaktions-Schema wie noch zu Beginn. Seltener fielen Journalisten auf Provokationen der AfD herein.

Auch seien inzwischen einige gute Interviews geführt worden und viele gute Portraits erschienen, sowie zahlreiche Enthüllungen über personelle Querverbindungen ins rechtsextreme Lager und seltsames Finanzgebaren dargestellt worden. Anderen Themen, wie z. B. dem Aufbau von Einfluss- und Beratungsnetzwerken der AfD, könne jedoch noch intensiver nachgegangen werden.

Große Schwächen, so ein weiteres Ergebnis der dreimonatigen Analyse von Nürnberger Nachrichten und Oberhessischer Presse, scheinen vor allem in der Berichterstattung der regionalen Abo-Zeitungen zu liegen. Hier werde zu wenig eigenständig und neugierig über das unmittelbare Umfeld berichtet. Gäbler schlussfolgert: „Schaut man nicht nur
auf die Leuchttürme, sondern auch ins Kellergeschoss der deutschen Printlandschaft, dann merkt man: Sie bröckelt an der Basis“.

Schwächen sieht die Studie auch in der Mode des „Ich“-Journalismus, die besonders bei jugendaffinen Medien gepflegt werde. Wer allein selbstbewusst und mit dem Vertrauen in die Stabilität der eigenen Identität den Identitären begegnen wolle, greife zu kurz. Gäbler sieht gerade bei jungen Journalisten einen mangelnden „Mut zum Allgemeinen“, zum Nachdenken über die Gesellschaft insgesamt statt nur über das eigene Befinden.
 
In „AfD und Medien“ wertet der Autor auch Interviews mit prominenten Politikern der AfD aus und er stellt dar, was „gut lief“ bzw. was künftig anders und besser gemacht werden sollte. Noch zu wenig – auch das moniert die Studie – werde mit der AfD über die Deutungen von Kultur und Geschichte gestritten. Wenn sich die AfD-Anhänger als wahre Erben des Hambacher Festes und von Bismarck wie Stresemann ausgeben, werde dem zu selten argumentativ entgegengetreten.
 
Zugleich plädiert die Studie dafür, dass sich der Journalismus nicht nur um nüchterne Berichterstattung, sondern auch um Einordnung bemühen und den mündigen Bürgern Angebote zur Orientierung machen solle. Nie dürfe er allerdings das gesittete Argumentieren aufgeben und zurück schimpfen. Jedem, der eine demokratische Öffentlichkeit wolle, bleibe nur das Vertrauen in die Kraft des Arguments.
 
In diesem Sinne dürfe sich der Journalismus durchaus als Teil einer größeren geistig-kulturellen Bewegung für die Verteidigung rationaler Diskurse und damit als ein „Element der Demokratie“ verstehen, rät der Autor der Studie, Bernd Gäbler, früher Chef des renommierten Grimme-Instituts und heute Journalistik-Professor an der FHM Bielefeld und appelliert: „Nichts geht ohne Geschichte und Kultur.“

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