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06.02.2020
Aufsichtsräte: Mehr Investitionen durch Mitbestimmung

Wenn Unternehmen paritätisch mitbestimmt sind, investieren sie stärker. Mehr Mitbestimmung könnte dazu beitragen, die Investitionsflaute in der Privatwirtschaft zu beenden.

Europas Unternehmenssektor ist in den vergangenen Jahren zum Netto-Gläubiger avanciert. Die Firmen sparen also mehr, als sie investieren. Fehlende Investitionen haben zur Folge, dass Produktivität und Löhne stagnieren und das Wirtschaftswachstum geringer ausfällt. Der Politikwissenschaftler Nils Redeker vom Jacques Delors Centre der Hertie School zeigt in einer Studie, dass mehr Mitbestimmung dabei helfen könnte, diese Fehlentwicklung zu korrigieren.

Dass so viele Manager bei Investitionen knausern, hängt laut dem Forscher unter anderem mit der Deregulierung der Finanzmärkte zusammen. Die habe es für Unternehmen attraktiver gemacht, Gewinne anzulegen, statt sie zu investieren. Die Beschäftigten hätten dagegen andere Interessen: Aus ihrer Sicht sollten Profite für höhere Löhne oder Investitionen verwendet werden, die langfristig Jobs sichern. Daher sei davon auszugehen, dass hier eine Rolle spielt, inwieweit Arbeitnehmer bei Unternehmensentscheidungen mitreden können.

Tatsächlich sei der Einfluss der Arbeitnehmerseite statistisch nachweisbar, so Redeker. In 25 Industriestaaten fällt die Summe der Unternehmensersparnisse umso höher aus, je geringer die prozentuale Zahl der Gewerkschaftsmitglieder ist. Zudem sparen Firmen mit knapp über 2.000 Beschäftigten in Deutschland, die der paritätischen Mitbestimmung unterliegen, erheblich weniger als diejenigen mit etwas weniger als 2.000 Beschäftigten. Der Grund: Sie investieren deutlich mehr. Arbeitnehmervertreter in Aufsichtsräten scheinen also ihren Einfluss dazu zu nutzen, Investitionen zu forcieren, stellt Redeker fest.

Der neuen EU-Kommission, die private Investitionen über Steuern anschieben will, empfiehlt er ein Umdenken. Das Ziel müsse sein, mehr Unternehmensinvestitionen durch mehr Mitbestimmung anzustoßen. Beispiel Eurobetriebsräte: Die gesetzlich verankerten Informations- und Anhörungsrechte der Arbeitnehmervertretungen müssten ausgebaut und wirksame Sanktionen bei Verstößen gegen die Eurobetriebsräte-Richtlinie erlassen werden. Um nationale Mitbestimmungsgesetze etwa durch die Societas Europaea (SE) zu umgehen, biete es sich an, Mindeststandards für Beteiligungsrechte der Arbeitnehmer festzuschreiben.

Die EU gebe nicht nur rechtliche Rahmenbedingungen vor, sie nehme in Form von Empfehlungen auch Einfluss auf die nationale Wirtschaftspolitik, so Redeker weiter. In der Vergangenheit hätten diese Empfehlungen in der Regel auf mehr Wettbewerbsfähigkeit durch weniger Kündigungsschutz, mehr Flexibilität und dezentrale Tarifsysteme abgezielt. Hier sei ein neuer Ansatz gefragt, der die Verhandlungsposition der Arbeitnehmer nicht schwächt, sondern stärkt. Dies würde für mehr Investitionen und somit auch für mehr Arbeitsplätze und Wohlstand sorgen.

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