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29.10.2020
Gesamt- und Konzernbetriebsrat: Bewertung von "SPACE" + Luckenwalde gehört zu Schaeffler!

Im neuen GKBR-Infoblatt Nr. 09/2020 bewertet die Konzernbetriebsratsvorsitzende das Programm "SPACE" und der Betriebsrat Luckenwalde stellt seinen Kampf um den Standort vor

Interview mit Susanne Lau über das Programm „SPACE“ und notwendige politische Maßnahmen

„Ein verantwortungsvoller Arbeitgeber würde auch in Krisenzeit hinter „seinen“ Mitarbeiterinnen stehen und versuchen mit allen durch die Krise zu kommen.“

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

am Montag, 12.10.2020 haben wir ein Interview mit Salvatore Vicari (Vorsitzender des Gesamtbetriebsrats) veröffentlicht. Nun ist es an der Zeit ein Gespräch mit Susanne Lau, Vorsitzende des Konzernbetriebsrats, zu führen und mehr über das Programm „SPACE“ aus Ihrer Sicht zu erfahren.

Susanne, wie bewertest Du das Maßnahmenprogramm „SPACE“?

Viele Entscheidungen des vom Vorstand geplanten Programmes „SPACE“ kann ich in der aktuellen Form nicht gutheißen und akzeptieren. Standorte wie beispielsweise Luckenwalde oder Wuppertal, die durch gezielte Investitionen innovativ und wettbewerbsfähig für die Zukunft aufgestellt werden könnten, dürfen nicht wegen steigender Gewinne geschlossen, verlagert oder verkauft werden. Schaeffler hat mit den Kolleginnen und Kollegen einen Arbeitsvertrag geschlossen. Solange Hochkonjunktur war, wurde die Arbeitskraft der Menschen ganz selbstverständlich in Anspruch genommen. Ein verantwortungsvoller Arbeitgeber würde auch in Krisenzeiten hinter „seinen“ Mitarbeitenden stehen und versuchen mit allen durch die Krise zu kommen.

Wie ist der derzeitige Stand der Gespräche mit dem Arbeitgeber?

Derzeit befinden wir uns noch in der Informationsphase. Verhandlungen werden wir erst aufnehmen, wenn das beauftragte INFO-Institut sämtliche Unterlagen erhalten und die Auswertungen erstellt hat. Auch die juristische Expertise der Rechtsanwaltskanzlei Schwegler werden wir vorher einholen.

Verlagerungen, Arbeitsplatzabbau und Standortschließungen sind derzeit in vielen Konzernen der Automobil- und Zuliefererindustrie die einfallslosen Maßnahmen der Arbeitgeberseite. Welche Rolle muss aus Deiner Sicht die Politik in dieser Situation einnehmen?

Meiner Meinung nach muss die Politik eine aktivere Rolle einnehmen. Es muss eine industriepolitische Strategie 2030 erarbeitet werden, um gut bezahlte und tariflich gebundene Industriearbeitsplätze, als Garant für Frieden, Wohlstand und Demokratie, in Deutschland zu halten und auszubauen. Die Etablierung von Industriedialogen sowie Clusterbildungen muss beschleunigt werden und zwar mit Beteiligung von Betriebsräten und hauptamtlichen Gewerkschaftern. Auch muss eine Lehre aus dieser Krise die Ausweitung der Mitbestimmungsrechte der Betriebsräte auf wirtschaftliche Angelegenheiten sein – denn die Arbeitgeberseite hat nicht das langfristige Wohl des Unternehmens, der Mitarbeitenden und der Allgemeinheit im Blick, sondern die kurzfristige Gewinnsteigerung, von der einige wenige profitieren.

Wie sieht die weitere Vorgehensweise des Gesamt- und Konzernbetriebsrates (GKBR) aus?

Ab kommender Woche werden erste Informationsgespräche mit der Arbeitgeberseite beginnen, an denen GKBR-Mitglieder sowie Vertreter/innen aus den Standorten teilnehmen. Die weitere Vorgehensweise werden wir anschließend abstimmen.

„Wir sind Luckenwalde und wir gehören zu Schaeffler!“

„Solange nichts endgültig entschieden ist, werden wir weiterkämpfen“: Der Betriebsrat aus Luckenwalde organisiert unter dem obigen Motto eine kämpferische Belegschaft.

Am Standort Luckenwalde plant Schaeffler 140 der derzeitigen 380 Arbeitsplätze abzubauen, Teile der Produktion zu verlagern und den Rest des Standortes zu verkaufen. Das vom Schaeffler-Vorstand geplante Maßnahmenprogramm „SPACE“ bedeutet somit defacto das AUS für Schaeffler in Luckenwalde. Ein Schock für die Kolleginnen und Kollegen vor Ort.

Der Betriebsrat hat daraufhin unter dem Motto „Wir sind Luckenwalde und wir gehören zu Schaeffler!“ mehrere Veranstaltungen organisiert und kann dabei auf eine kämpferische Belegschaft zählen. „Die Mannschaft in Luckenwalde ist selbstbewusst und das mit Recht“, so Andrea Grofe, stellvertretende Betriebsratsvorsitzende in Luckenwalde.
 
Durch verschiedene Aktionen sind eine Vielzahl von Politikerinnen und Politiker auf die Situation in Luckenwalde aufmerksam geworden und haben ihre Unterstützung zugesagt. Frank Hildebrandt, Betriebsratsvorsitzender in Luckenwalde, freut sich über die enge Zusammenarbeit mit dem sozialdemokratisch geführten Brandenburgischen Wirtschaftsministerium.

Er hebt hervor: „Die Pläne für das Luckenwalder Werk sind aus verschiedenen Gründen unverständlich. Wir finden, ein Konzern hat auch eine politische sowie gesellschaftliche Verantwortung. Luckenwalde ist das letzte produzierende Schaeffler-Werk in Ostdeutschland.

Andrea betont: „Es geht hier um Industriearbeitsplätze, die für unsere Stadt und unsere Region so wichtig sind. Sie sind der „Motor“ für die wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung im Land Brandenburg.“ Frank mahnt an und findet die geplante Entscheidung des Schaeffler-Vorstandes aus folgenden Gründen sowie aus ökonomischer Perspektive falsch:

1. Die Produktion in Luckenwalde (die für den Verbrennermotor produziert) ist für die kommende drei Jahre gut aufgestellt.
2. Der größte Elektroautohersteller hat sich in Brandenburg angesiedelt.
3. Die Landesregierung will Brandenburg zum Zentrum der Wasserstofftechnologie etablieren.

„Es ist nicht nachzuvollziehen, warum sich Schaeffler aus dieser Region zurückzieht, statt sich mit dem Luckenwalder Standort an dieser (auch für Schaeffler wichtigen) Zukunftsentwicklung zu beteiligen.“

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hat dem Betriebsrat bei einer Demo am 3. Oktober 2020 in Potsdam zu einem Termin eingeladen, um über die Situation zu sprechen.

„Solange nichts endgültig entschieden ist, werden wir weiterkämpfen,“ so Andrea. „Von unseren Kollegen erhalten wir volle Unterstützung. Nur gemeinsam schaffen wir es einen Schritt nach vorn zu machen. Mit unserer starken Mannschaft im Rücken, bestehen da für mich keine Zweifel.“

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