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17.03.2021
IG Metall: Desksharing im Sinne der Beschäftigten gestalten

Die Gewerkschaft erklärt, wie Betriebsräte die Einführung und Umsetzung von Desksharing gut begleiten können – und warum es so wichtig ist, die Kolleginnen und Kollegen frühzeitig zu beteiligen.

Die neuen Bürowelten sollen arbeitnehmerfreundlich und gesundheitsfördernd gestaltet sein (Symbolbild: IG Metall)

Aufgrund der Coronapandemie wurden in den vergangenen Wochen und Monaten viele Beschäftigte zum Arbeiten nach Hause ins Homeoffice geschickt. In den Betrieben sind seither viele Büroflächen unbesetzt.

Mehr und mehr Arbeitgeber nutzen diese Gelegenheit. Mithilfe von Desksharing wollen sie Bürofläche sparen. Im Interview spricht Marco Schmidt, Ressortleiter Angestellte, IT und Engineering beim Vorstand der IG Metall, darüber, wie Betriebsräte die Einführung und Umsetzung von Desksharing gut begleiten können – und warum es so wichtig ist, die Kolleginnen und Kollegen frühzeitig zu beteiligen.

Frage: Viele Beschäftigte arbeiten derzeit im Homeoffice. Mehr und mehr Arbeitgeber nutzen diese Gelegenheit: Mithilfe von Desksharing soll Platz gespart werden. Jeden Tag an einen anderen Platz arbeiten – ist das eine gute Idee?

Marco Schmidt: Technisch zumindest ist das alles kein Problem. Und klar ist auch, dass Arbeitgeber mit Desksharing Bürofläche sparen, also Geld. Die Beschäftigten aber haben andere Interessen. Studien zeigen, dass über 90 Prozent der Kolleginnen und Kollegen ein fester Arbeitsplatz wichtig oder äußerst wichtig ist und dass 80 Prozent der Beschäftigten höchstens zu Dritt in einem Büro arbeiten möchten. Die Frage ist also: Was macht Desksharing mit den Beschäftigten, mit den Teams und der Produktivität?

Was macht Desksharing also mit den Beschäftigten?

Marco Schmidt: Aus Umfragen wissen wir, dass es durch Desksharing leicht zu einer Ablenkung von der Arbeit durch Lärm kommen kann. Wir wissen auch, dass Beschäftigte häufig über mangelnde Privatsphäre klagen. Die Unterstützung durch Vorgesetzte nimmt häufig ab, Konkurrenz und unkollegiales Verhalten verstärken sich. Es ist schon so: Räumlich zusammengezogene Teams bringen Produktivitätsvorteile. Wird dieser Zusammenhang aufgelöst, dann wird die Gefahr von Verlagerung in Billiglohnländer noch größer.

Gibt es denn gar keine Vorteile, die sich für Beschäftigte durch das Desksharing ergeben?

Marco Schmidt: Doch, die gibt es. Wechselnde Kolleginnen und Kollegen, neue Zusammensetzungen, das alles kann inhaltlich sehr befruchtend sein. Und wenn die Arbeitsumgebung entsprechend den Aufgaben gewählt werden kann, wird womöglich kreativeres Arbeiten möglich. Aber: Das alles geschieht nicht automatisch. Die Einführung von Desksharing ist mitbestimmungspflichtig. Es ist wichtig, dass der Betriebsrat seine Rechte offensiv einsetzt.

Warum ist das so wichtig?

Marco Schmidt: Zum Desksharing gehört in der Regel eine "clean desk policy", das heißt, der Beschäftigte muss abends den Schreibtisch aufräumen. Das gehört zur Arbeitszeit. Darauf muss der Betriebsrat achten. Und dann ist es wichtig, die Beschäftigten früh zu beteiligen. Gerade beim Thema Desksharing ist das elementar.

Inwiefern?

Marco Schmidt: Das Thema Desksharing wird ja in der Belegschaft zumeist sehr unterschiedlich gesehen und bewertet: Es gibt Kolleginnen und Kollegen, die dem neuem Bürokonzept kritisch gegenüberstehen, wieder andere haben Sorge, dass sie sich an stets neuen Arbeitsplätzen nicht werden wohlfühlen können. Einige reagieren wütend auf die Ankündigung, dass Desksharing umgesetzt werden soll, andere dagegen sind neugierig. Der Betriebsrat sollte möglichst die ganze Bandbreite von Sichtweisen aufnehmen und einsammeln, er sollte den Beschäftigten so sehr frühzeitig Gehör verschaffen. Beteiligungsorientierung ist auch deshalb wichtig, weil die Situation von Team zu Team und von Büro zu Büro ganz unterschiedlich sein kann. Lösungen müssen Spielraum bieten und sie müssen der jeweiligen Situation vor Ort angepasst werden.

Wie gelingt es dem Betriebsrat in puncto Desksharing zu begleiten und mitzubestimmen?

Marco Schmidt: Es hilft, sich zu Beginn einige Leitfragen zu stellen, etwa: Wo wollen wir hin? Was muss geregelt werden? Aber auch: Was muss definitiv nicht geregelt werden? Wenn der Betriebsrat darüber für sich Klarheit gewonnen hat, ist es gut, wenn er sich in einem zweiten Schritt überlegt, wen man mit ins Boot holt, ob man also zum Beispiel Expertinnen und Experten hört. Vor allem aber ist es wichtig, sich einen exakten Plan zu machen, wie man die Beschäftigten beteiligen und frühzeitig einbeziehen will. Und dann hängt natürlich viel davon ab, die Ausgangssituation möglichst gründlich und genau zu betrachten.

Welche Fragen stehen hier im Mittelpunkt?

Marco Schmidt: Nun, es ist nützlich zu Beginn so etwas wie eine Bestandsaufnahme zu machen und einmal zu schauen: Welche verschiedenen Arbeitsorganisationsformen gibt es eigentlich – und welche werden bei uns im Betrieb eingesetzt? Dann lohnt ein Blick auf die Tätigkeiten, die im Betrieb ausgeführt werden, verbunden mit der Frage: Welche Tätigkeiten eignen sich überhaupt dafür, dass sie ins Desksharing einbezogen werden? Dann sollte man natürlich schauen, wie die räumlichen Voraussetzungen vor Ort sind. Gibt es genug Plätze, an denen man konzentriert arbeiten kann? Gibt es ausreichend Fläche, um gemeinsam im Team zu arbeiten? Braucht es Rückzugsmöglichkeiten? Wo könnten diese sein? Solche und ähnliche Fragen sind wichtig. Schließlich und endlich sollte sich der Betriebsrat dann über die Frage Klarheit verschaffen, was die Beschäftigten wollen. Wenn der Betriebsrat sich darüber verständigt hat, dann sollte er unbedingt noch vor Einführung des Desksharings eine Betriebsvereinbarung abschließen. Diese ist im Übrigen erzwingbar, notfalls über die Einigungsstelle.

Was ist der IG Metall wichtig, wenn es um die Gestaltung von Desksharing-Modellen geht?

Marco Schmidt: Die IG Metall hat beim Thema Desksharing ein ganz klares Ziel, auf den Punkt gebracht lautet es: Alle Beschäftigten haben die Arbeitsplätze, die sie brauchen, um ihre Arbeit gut und gesund machen zu können. Die Raum- und Büroorganisation muss deshalb der anfallenden Arbeit entsprechen. Selbstverständlich müssen auch beim Desksharing alle Anforderungen aus dem Arbeits- und Gesundheitsschutz eingehalten werden. Sichergestellt werden sollte, dass die Beschäftigten bereits im Stadium der Bürokonzeption beteiligt werden. Sichergestellt werden muss natürlich auch, dass es ausreichend Fläche für die unterschiedlichen Tätigkeiten im Betrieb gibt – insbesondere für ungestörtes und ruhiges Arbeiten.

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