Startseite
28.10.2022
Von: AC
Luckenwalde verabschiedet sich

Lange Zeit hat die Belegschaft in Luckenwalde mit starken Argumenten und auf einer guten Datenlage gegen die Standortschließung gekämpft. Reinhard Golibersuch, stellvertretender Vorsitzender des Betriebsrats in Luckenwalde, gab seine Einschätzung zu den Geschehnissen bekannt, die Rede hielt er am 27. September auf der Betriebsrätevollversammlung.

Wir sind Luckenwalde! Foto: Schaeffler AG.

Artikel: Autoindustrie: Schaeffler baut 4400 weitere Stellen ab - 14 Standorte betroffen - FOCUS online.

Beitrag: Trend Alternative Fuels: E-Fuels: Strom in Kraf... | Schaeffler CONNECT. Eigenbearbeitung.

Die Belegschaft von Luckenwalde geht gegen die Standortschließung auf die Straße.

Foto: Schaeffler AG. Eigenbearbeitung.

368 Luckenwalder Mitarbeiter*innen trifft die Schließung aus reinen Profitgründen sehr: sie hatten bis zuletzt schwarze Zahlen für ihr Unternehmen geschrieben und gute Gewinne eingefahren, in die sie ihre persönlichen Anstrengungen gesteckt hatten. Daher war die Ankündigung trotz leichter Rückgänge zu Pandemiezeiten nicht nachvollziehbar. Der Betriebsrat Luckenwalde blickt auf zwei anstrengende Jahre zurück, von der Verkündigung des deutschlandweiten Personalabbaus über die Hoffnung auf Übernahme bis hin zum ausgehandelten Endergebnis.

Am 9. September 2020 wurde für ganz Schaeffler ein bedeutender Stellenabbau verkündet, für Luckenwalde bedeutete dies die Schließung des Standortes. Seine Hauptprodukte hätten keine langfristige Zukunft mehr und das Komponentengeschäft sollte verlagert werden. Dabei bestätigte ein Artikel im SConnect schon ein halbes Jahr vor der Verkündung der Standortschließung, dass der Bedarf an flüssigen Kraftstoffen wohl über 2030 hinaus bestehen bleiben würde. Zentrale technische Kompetenzen für die Fertigung von Elektrolyseuren, die Schaeffler für seine Wasserstofftechnologien braucht, liegen in Luckenwalde und werden nicht entsprechend gefördert.

In der Folge wurde der Kontakt zur Politik gesucht. Der Wirtschaftsminister versprach in einer Betriebsversammlung, die Schließung zu thematisieren, die Landesregierung wurde besucht, die Presse sendete Berichte. Sogar in der Bundespolitik konferierte der Betriebsrat mit dem Bundeswirtschaftsminister, zusätzlich zu seiner planmäßigen Arbeit im Werk, die zeigen sollte, dass Luckenwalde auch in Zukunft ein verlässlicher Standort bleiben könnte.

Obwohl der Betriebsrat sich für den Verbleib im Unternehmen aussprach, beschäftigte er sich mit dem möglichen Verkauf an einen Investor. Viele von ihnen verloren schnell das Interesse und der einzige Investor, der sich auf einer Betriebsversammlung vorstellte, weigerte sich, Tariflöhne zu versprechen. Trotzdem wurde von allen Seiten Druck gemacht, da es um den Erhalt von über 200 Arbeitsplätzen ging. Als der Betriebsrat schließlich eine Abstimmung forderte, wurden die Verhandlungen für gescheitert erklärt. Damit war die Werksschließung beschlossen und der Betriebsrat brachte bis Ende 2021 einen raschen Interessensausgleich zustande.

Gleichzeitig musste der Konzern kurzfristig einen Verlagerungsplan entwickeln, da der Verkauf nicht funktioniert hatte. Außerdem scheiterten  die Verhandlungen zu Überstunden und Wochenendarbeit, weil der Konzern keine Belastungsprämie für alle garantieren wollte. In ihrer regulären Arbeitszeit stemmen die Beschäftigten aber weiterhin trotz hoher Belastung ihre Arbeit und fühlen sich Schaeffler immer noch verbunden.

Angesichts der Lage kann der Luckenwalder Betriebsrat von sich behaupten, stets die Sachlage abgewogen und bedacht zu haben. Er hat einen großen Rückhalt in der Belegschaft verzeichnen können und kann von sich sagen, dass er seine Entscheidungen auch mit seinem heutigen Wissen wieder so fällen würde und beim besten Willen nicht mehr hätte erreichen können. Dem Vorstand erkennt er an, in Krisenzeiten gehandelt zu haben, wünscht sich aber, dass dieser in Zukunft flexibler agiert und die deutschen Standorte im Sinne der Zukunftsvereinbarung stärkt.

Der Betriebsrat Luckenwalde nimmt nun Abschied und wünscht alles Gute für die Zukunft.

Druckansicht